Full text: Handbuch des öffentlichen Rechts. Band III.2.1. Das Staatsrecht von: Mecklenburg-Schwerin, Mecklenburg-Strelitz, Oldenburg, Braunschweig, Anhalt, Waldeck, Schaumburg-Lippe, Lippe. (5)

88. Justiz. 145 
an andere Staaten sowie zum Abschluß von Verträgen mit anderen Staaten, durch welche 
für die Unterthanen Lasten erwachsen; — ohne seine Zustimmung kann die Ergänzungs— 
steuer (s. unten) nicht erhoben werden; und da diese sogenannte „Ergänzungssteuer“, — 
abgesehen von einer gesetzlich festgestellten Abgabe für einzelne Gewerbe — Gastwirth— 
schaften pp. — die einzige direkte Steuer Anhalts bildet, so hat der Landtag thatsächlich 
und wesentlich das volle Steuerbewilligungsrecht. 
In die Oberersatzkommission (s. § 30 des Reichsgesetzes vom 2. Mai 1874) 
wählt der Landtag ein Mitglied und einen Stellvertreter?). 
Im Uebrigen hat der Landtag auf Erfordern seinen Beirath zu solchen Gesetzen, 
hinsichtlich deren er ein Zustimmungsrecht nicht hat, sowic in anderen öffentlichen Ange- 
legenheiten auf Erfordern des Landesherrn zu ertheilen; — thatsächlich sind seit Jahren 
Gesetze nur mit Zustimmung des Landtags erlassen worden. 
Er hat endlich das Recht, Petitionen entgegenzunehmen, sowie Beschwerden, Anträge 
und Anfragen an die Staatsregierung zu richten. Ein Recht, aus eigener Initiative 
Gesetzentwürfe aufzustellen, hat er nicht, — dagegen kann er Anträge auf Erlaß von 
Gesetzen stellen und zu vorgelegten Gesetzentwürfen Verbesserungen und Aenderungen auch 
im Einzelnen beschließen. 
§ 8. Justiz. Ein besonderer Gerichtshof für Kompetenzkonflikte zwischen Justiz und 
Verwaltung besteht in Anhalt nicht, die Gerichte entscheiden selbständig über die Grenzen 
ihrer Zuständigkeit. Für die Rechtspflege sind im Uebrigen die großen Reichssjustiz- 
gesetze maßgebend. Anhalt hat ein Landgericht, 5 mit mehreren, 6 mit je einem Amts- 
richter besetzte Amtsgerichte. 
Bei dem Amtsgericht in Bernburg ist eine detachirte Strafkammer. Die freiwillige 
Gerichtsbarkeit ist bei den Amtsgerichten. Die Gehalts= und Dienstaltersverhältnisse der 
Richter sind durch festes Gesetz geregelt; die vorgesehene Gehaltserhöhung tritt mit dem 
Beginn des betreffenden Etatsjahres von selbst ein. 
Das Oberlandesgericht in Naumburg ist auf Grund eines besonderen Staats- 
vertrages das Berufungsgericht für Anhalt und der Disziplinarhof für die An- 
haltischen Richter; zweite Instanz für Disziplinarsachen ist das Kammergerichtin Berlin. 
Bei den Amtsgerichten, die mit mehreren Mitgliedern besetzt sind, ist die dienstliche 
Aufsicht auch bezüglich der Richter einem Amtsrichter übertragen. Hiernach ist die dienst- 
liche Aufsicht über die Justizbeamten in folgender Weise geregelt: Bei Amtsgerichten mit 
einem Richter steht die Aufsicht über die übrigen Gerichtsbeamten dem Amtsrichter zu; 
bei Amtsgerichten mit mehreren Richtern führt der damit beauftragte Amtsrichter die 
Aufsicht über sämmtliche Beamte des betreffenden Amtsgerichts; der Präsident des Land- 
gerichts in Dessau hat die Aufsicht über sämmtliche übrige Justizbeamte des Landes, der 
Präsident des Oberlandesgerichts in Naumburg über diese und den Landgerichts-Präsi- 
denten; das Staatsministerium führt die Aufsicht in höchster Instanz über sämmtliche 
Anhaltische Justizbeamte. 
Das Recht der Aufsicht umfaßt die Befugniß, säumige oder ordnungswidrige Aus- 
führung von Geschäften zu rügen — wogegen dem betroffenen Richter der Antrag auf 
Eröffnung des förmlichen Disziplinarverfahrens zusteht — sowie gegen Richter als Dis- 
ziplinarstrafe eine Mahnung an die Amtspflicht auszusprechen, gegen die übrigen Justiz- 
beamten die den dienstlichen Vorgesetzten überhaupt beigelegten Befugnisse auszuüben. 
1) Bezüglich des Militärwesens ist im Uebrigen auf Laband in diesem Handbuch 
II. I. § 16. S. 161 ff. zu verweisen. Auf Grund der mit Preußen abgeschlossenen Verträge übt 
der König von Preußen die Militärhoheit aus, ernennt sämmtliche Offiziere des anhaltischen In- 
fanterie-Regiments Nro. 93 und hat das Dislokationsrecht; die aus dem Herzogthum ausgehobenen 
Truppen, gleichviel ob sie in diesem Regiment, oder bei einem anderen Truppenkörper ihrer Wehr- 
pflicht genügen, leisten dem Herzog den Fahneneid, vorbehältlich ihres Gehorsams gegen den König, 
Handbuch des Oessentlichen Rechts. III. 2. 1. 10
	        
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