Full text: Handbuch des öffentlichen Rechts. Band III.2.1. Das Staatsrecht von: Mecklenburg-Schwerin, Mecklenburg-Strelitz, Oldenburg, Braunschweig, Anhalt, Waldeck, Schaumburg-Lippe, Lippe. (5)

83. Das Staatsoberhaupt. 153 
jährig und regierungsfähig. Ist der Fürst minderjährig oder sonst dauernd verhindert 
die Regierung zu führen, so tritt eine Regentschaft ein ). In dem Fürsten, dessen Person 
unverletzlich ist, vereinigt sich die gesammte Staatsgewalt, doch ist er bei Ausübung der- 
selben beschränkt. 
Die gesetzgebende Gewalt theilt er mit der Volksvertretung, insofern 
Gesetze vom Fürsten nur mit Zustimmung des Landtages erlassen, aufgehoben, geändert 
oder authentisch interpretirt werden können. Jedoch können, wenn der Landtag nicht ver- 
sammelt ist, in dringenden, durchaus keinen Aufschub duldenden Fällen unter Verantwort- 
lichkeit der Staatsregierung Verordnungen, welche eine Abänderung der Verfassung 
bezw. des Wahlgesetzes nicht enthalten, auch nicht Steuerverhällnisse betreffen, mit Ge- 
setzeskraft erlassen werden. Dieselben sind dem nächsten Landtage zur Zustimmung 
vorzulegen und, falls eine Einigung nicht erfolgt, entweder sofort aufzuheben, oder einem 
innerhalb dreier Monate zu versammelnden neuen Landtage zu unterbreiten. Verweigert 
auch dieser seine Zustimmung, so erfolgt die Aufhebung der fraglichen Verordnungen. Im 
Uebrigen hat der Fürst das Recht, den Landtag zu berufen, zu vertagen, zu schließen und 
aufzulösen — unter welchen Beschränkungen, wird weiter unten ausgeführt werden. Die 
Publikation der Gesetze steht allein dem Fürsten zu. Er verkündet die Gesetze mit Bezug- 
nahme auf die Zustimmung der Stände, bezw. auf den Octroyirungsparagraphen und er- 
läßt die zur Ausführung derselben erforderlichen Verordnungen. Die Verbindlichkeit der 
Gesetze und Verordnungen richtet sich danach, ob die verfassungsmäßige ständische Zu- 
stimmung ertheilt ist und ob sie in der durch das Gesetz vorgeschriebenen Form bekanut 
gemacht sind. Ueber die Publikation der Gesetze im Regierungsblatt besteht eine Ver- 
ordnung v. 7. Sept. 1844. Die Prüfung der Rechtsgültigkeit gehörig verkündigter Ge- 
setze und Verordnungen steht nur dem Landtage zu. 
Alle vorbeschriebenen Rechte des Fürsten auf dem Gebiete der Staatsgesetzgebung, 
mit Ausnahme desjenigen der dem Consistorium unterstehenden Angelegenheiten, übt 
während der Dauer des Accessionsvertrages — abgesehen von dem bereits erwähnten zu 
Gunsten des Fürsten gemachten Vorbehalte — allein der König von Preußen aus. 
Infolgedessen lautet zur Zeit die Verkündigungsformel der Gesetze: „Wir Wilhelm von 
Gottes Gnaden, König von Preußen rc. verordnen auf Grund des zwischen Preußen und 
Waldeck-Pyrmont geschlossenen Vertrages vom 24. Nov. 1877 mit Zustimmung S. D. 
des Fürsten zu Waldeck und Pyrmont, sowie des Landtags der Fürstenthümer, was folgt.“ 
Die vollziehende Gewalt steht nach der Verfassung allein dem Fürsten 
zu. Er ist bei ihrer Ausübung an die Verfassung und die verfassungsmäßigen Gesetze 
gebunden; außerdem bedürfen alle Regierungserlasse des Fürsten zu ihrer Gültigkeit der 
Gegenzeichnung wenigstens eines Mitgliedes der Staatsregierung, welches dadurch die 
verfassungsmäßige Verantwortlichkeit übernimmt. Die verantwortlichen Mitglieder der 
Staatsregierung werden vom Fürsten ernannt und entlassen, ohne daß es dabei der Gegen- 
zeichnung bedürfte. Unter dem gegenwärtigen Zustande ist die vollziehende Gewalt Sache 
des Königs von Preußen. Nach Art. 2 des Vertrages vom 24. Nov. 1877 wird die 
Verwaltung „iu Uebereinstimmung mit der Verfassung und den Gesetzen der Fürstenthümer 
geführt.“ Die Verantwortlichkeit trägt der Landesdirector. Die vom Könige selbst in 
waldeckschen Angelegenheiten ausgehenden Regierungshandlungen tragen indeß, aus Rück- 
  
1) Für die Verhältnisse des waldeck'schen Fürstenhauses ist von entscheidender Bedeutung ge- 
wesen das pactum primogeniturae waldeccense v. 12. Juni 1685 mit kaiserl. Bestätigung vom 
22. August 1697, sowie die Errichtung einer Secundogenitur durch Verordnung des Grafen Chri- 
stian Ludwig vom Sept. 1695. Infolgedessen besteht noch heute neben der fürstlichen eine gräfliche 
Linie mit dem Wohnsitze in Bergheim. Die Verhältnisse des Gesammthauses sind neuerdings durch 
das Hausgesetz v. 22. April 1857 geregelt. Für die privatrechtlichen Angelegenheiten des Fürsten- 
hauses sind das Landgericht in Kassel und das Oberlandesgericht in Frankfurt a. M. zuständig.
	        
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