160 Böttcher, Das Staatsrecht des Fürstenthums Waldeck. § 7.
dasselbe ist Waldeck dem Landgericht Kassel, Pyrmont dem Landgericht Hannover zuge-
theilt. In jenem bestehen drei, in diesem ein Amtsgericht. Betreffs der Competenzcon-
flicte zwischen den Gerichten und den Verwaltungsbehörden ist die entsprechende preußische
Verordnung v. 1. Aug. 1879 durch Verordnung v. 21. Sept. 1879 eingeführt.
Eine neue Organisation der Disciplinarbehörden ist durch Gesetz vom
18. Jan. 1869 erfolgt. Dasselbe, durch V.O. v. 2. Nov. 1874 auf die Lehrer und Be-
amten an den öffentlichen Unterrichtsanstalten ausgedehnt, ist, gleichwie die in Geltung
gebliebenen Disciplinarbestimmungen des Staatsdienstgesetzes v. 9. Juli 1855, durch Ges.
v. 1. Sept. 1879 verschiedentlich abgeändert worden.
Was das Polizeiwesen betrifft, so steht die allgemeine Landespolizeiverwaltung dem
Landesdirector zu. Durch Ges. v. 13. Jan. 1875 ist demselben die Befugniß beigelegt, mit den
Gesetzen nicht in Widerspruch stehende Polizeiverordnungen unter Strafandrohung bis zu 30 M.
zu erlassen. Im Kreise untersteht die Polizeiverwaltung dem Kreisamtmann. Zur Durchführung
seiner Anordnungen ist derselbe berechtigt, Zwangsstrafen bis 30 M. anzudrohen und festzusetzen.
In dringenden Fällen ist er befugt, zur Durchführung seiner Anordnungen militärische Hülfe in
Anspruch zu nehmen; er hat indeß der Regierung davon sofort Anzeige zu machen. Die Orts-
polizeiverwaltung führt unter Aufsicht und nach Anleitung des Kreisamtmanns der Bürgermeister.
Er ist befugt, nach vorgängig eingeholter Genehmigung des Kreisamtmanns allgemeine polizei-
liche Gebote und Verbote mit einer Strafandrohung bis zu 15 M. zu erlassen. Der Bürger-
meister ist auch Hülfsbeamter der Staatsanwaltschaft. Zur Unterstützung der sämmtlichen Poli-
zeibehörden in Erhaltung der öffentlichen Ruhe, Sicherheit und Ordnung im Innern des Landes
und in Handhabung der deßhalb bestehenden Gesetze und Anordnungen ist durch Gesetz vom
9. Febr. 1855 eine Gensd'armerie nach dem Muster der preußischen errichtet.
§ 7. Rechtsverhältnisse der Staatsbeamten. Ueber die Rechtsverhältnisse
der Staatsbeamten hat bei Berathung des letzten Accessionsvertrags zwischen dem
Landtage und der Regierung lebhafter Streit gewaltet.
In dem Vertrage v. 18. Juli 1867 war der Bestimmung, daß die sämmtlichen Staats-
beamten von Preußen ernannt werden und dem Könige den Diensteid leisten, hinzugefügt: „Sie
sind preußische Unterthanen.“ Dies wurde von den waldeckschen Ständen dahin verstanden, daß
die in Rede stehenden Staatsbeamten preußische Staatsdiener seien — eine Auffassung, die durch
die Bestimmung des Schlußprotokolls, nach welcher ihnen für den Fall der Auflösung des Ver-
trags freigestellt wurde, in preußischen Diensten zu bleiben oder in waldecksche überzutreten,
jedenfalls stark unterstützt wurde. In dem neuen Vertrage nun war die Unterthanenqualität
beseitigt und in No. 8 des Schlußprotokolls war umgekehrt wie in demjenigen zum Vertrage
von 1867 gesagt: „Den in den Fürstenthümern befindlichen Justiz= und Verwaltungsbeamten
bleibt es überlassen, ob sie im waldeckschen Staatsdienste verbleiben, oder ob sie mit Bewilligung
Preußens in den preußischen Staatsdienst übertreten wollen.“ Hiernach war klar, daß jeden falls
von Beginn der Wirksamkeit des neuen Vertrages an die waldeckschen Beamten nicht mehr als
preußische Staatsdiener zu betrachten sein würden. Aber die preußische Regierung behauptete,
daß die erwähnte bisherige Auffassung überhaupt eine irrige gewesen sei, und bezeichnete die
Fassung des neuen Vertrags lediglich als den correcteren Ausdruck für das von Anfang an durch
die Accession eingeführte Verhältniß. Dem gegenüber beschloß der waldecksche Landtag in seiner
Sitzung v. 15. Dezember 1877 gleichzeitig mit der Annahme des neuen Accessionsvertrags folgende
Resolution: „Der Landtag legt hiedurch Verwahrung dagegen ein, daß die von Preußen in
Waldeck-Pyrmont angestellten Staatsdiener, nachdem dieselben auf Grund des Accessionsvertrags
v. 18. Juli 1867, wie aus dessen Inhalte klar hervorgeht, und wie es auch in der ausgesprochenen
Absicht der damaligen Vertreter der conirahirenden Theile gelegen hat, in den preußischen Staats-
dienst eingetreten und ausgenommen sind, nunmehr unter Aufhebung dieser ihrer wohlerworbenen
Rechte wieder aus demselben entfernt werden sollen, und daß denselben sogar das nach No. 9a
des Schlußprotokolls zum erstgedachten Vertrage ihnen zustehende Recht, bei Ablauf desselben im
preußischen Staatsdienste verbleiben zu dürfen, durch die mit rückwirkender Kraft versehene
No. 8 princ. des neuen Vertrags wieder entzogen werden soll, und zwar mit der unrichtigen
und unstichhaltigen Motivirung, daß letzterer nur eine Erneuerung des ersteren enthalte.“ An
dem durch den Vertrag v. 24. Nov. 1877 geschaffenen Rechtsverhältniß ist durch diesen Protest
nichts geändert.
Die waldeckschen Staatsbeamten sind heute lediglich waldecksche Staatsdiener. Sie
können allerdings, nach Nr. 3 des Schlußprotokolls, „auf ihren Wunsch nach Maßgabe
der in Preußen geltenden Vorschriften in den preußischen Staatsdienst übernommen werden“,
einen Rechtsanspruch in dieser Richtung aber haben sie nicht. Wie es im Falle der Auf-