8 Büsing, Das Staatsrecht der Großherzogthümer Mecklenburg. § 1.
Stargard zu Mecklenburg-Schwerin in Betracht kommt, doch keine vollständige, da die
Landstände der drei Kreise auch dieser Landestheilung gegenüber die Untheilbarkeit der
Landständischen Verfassung behaupteten und durchsetzten. Das Verhältniß beider Landes-
herrn zu der demnach fortbestehenden gemeinschaftlichen Korporation der Stände war im
Hamburger Vergleiche im Einzelnen nicht geregelt; nur war bestimmt, daß die Berufung
der—gemeinsamen—Landtage ausschließlich der schweriner Landesherrschaft gebühren solle.
Aus diesem Rechte leitete Mecklenburg-Schwerin ein ausschließlich ihm zustehendes Ho-
heitsrecht zunächst gegenüber der Gesammtheit der Stände, demnächst aber gegenüber der
Herrschaft Stargard selbst ab und bestritt der strelitzer Landesherrschaft insbesondere das
Recht, ihrerseits den Ständen selbstständige Vorlagen zu machen (s.g. Konpropositionsrecht).
Die hierüber entstandenen Streitigkeiten führten zunächst zu dem Versuche, die noch be-
stehende Gemeinschaft vollständig zu beseitigen, zu welchem Zwecke im Jahre 1748 zwischen
beiden Landesherrn eine Auseinandersetzungs-Konvention geschlossen wurde.
Allein die Durchführung derselben scheiterte an dem Widerspruche der Stände, und an
Stelle derselben trat ein im Jahre 1755 unter Berücksichtigung des in diesem Jahre zwi-
schen den Landesherrn und den Ständen zu Stande gekommenen landesgrundgesetzlichen
Erbvergleichs geschlossener Vertrag vom 14. Juli 17551), nach welchem die Bestim-
mungen des Hamburger Vergleichs bei Bestand blieben und nur einer Revision unter-
zogen wurden. In diesem noch heute geltenden s.g. Erläuterungsvertrage entsagte die
Mecklenburg-Schwerinsche Landesherrschaft allen und jeden Ansprüchen auf die Landes-
hoheit gegenüber der Herrschaft Stargard. Unter Anerkennung der ständischen Union
wurde das Propositionsrecht dahin geregelt, daß das Recht der Berufung der Landtage
ausschließlich Mecklenburg-Schwerin verblieb, das Recht, den Ständen Propositionen zu
unterbreiten, aber beiden Landesherrn zustehen sollte und beide sich nur verpflichteten, sich
ihre Landtagspropositionen vorher gegenseitig mitzutheilen.
Eine Verpflichtung zu einer Einigung über den Inhalt der Propositionen erwächst
für die Landesherrn aus dieser s.g. hausvertragsmäßigen Kommunikation an
sich nicht, wenn auch thatsächlich eine solche Einigung in den meisten Fällen erfolgt. Nur
indirekt besteht eine Nöthigung für die Regierungen zu einem gemeinsamen Vorgehen,
wenn die Propositionen eine Materie betreffen, auf deren einheitliche Regelung die Stände
auf Grund der Union einen verfassungsmäßigen Anspruch haben. Durch die ständische
Union findet die hausvertragsmäßige Kommunikationspflicht ihre Begrenzung, da sie nur
in Rücksicht auf jene eingeführt ist, und sie bezieht sich daher nur auf diejenigen Vorlagen,
welche der ständischen Konkurrenz unterliegen?.
Die ausschließliche und volle Landeshoheit der strelitzer Landesherrschaft über die
Herrschaft Stargard, auf welche sich der ganze Streit allein bezogen hatte, ist seither nicht
mehr bezweifelt worden. Doch findet das nahe Verhältniß, in welchem beide Länder von
jeher gestanden haben, auch darin seinen Ausdruck, daß in Folge geschlossener Verträge
eine Reihe von Behörden und Instituten für beide Länder gemeinsam fungiren?).
§ 2. Die Staatsangehörigkeit“). Der Erwerb und Verlust der Staats-
angehörigkeit war in beiden Großherzogthümern bis zum Erlasse des Reichsgesetzes
1) P.G. S. III. 440 ff.
2) Landrecht J. 385. Note 10.
3) So z. B. die S#nscbstrabte 1. Dreibergen, das Oberlandesgericht zu Rostock (früher das
Oberappellationsgericht daselbst), das Schwurgericht zu Güstrow, das obere Kirchengericht und der
Gerichtshof zur Entscheidung der Kompetenzkonflikte in Rostock, sowie die Flußbaukommission und
die Steuer= und Zoll- Derektion in Schwerin.
4) Literatur: s. d. Angaben in Landrecht II. § 124 Note 4.