82. Die Staatsangehörigkeit. 9
über die Erwerbung und den Verlust der Bundes- und Staatsangehörigkeit vom 1. Juni
1870 übereinstimmend durch eine V. O. vom 1. Juni 1853 geregelt )). Die wichtigste
der durch das zitirte Reichsgesetz beseitigten Bestimmungen derselben war die Statuirung
eines vollen Landsassiats für die Eigenthümer ritterschaftlicher Güter zu der Folge, daß
durch den Erwerb eines ritterschaftlichen Gutes und Ableistung des Lehns= beziehungs-
weise Homagialeides ohne Weiteres die Mecklenburgische Staatsangehörigkeit erworben
wurde. Seit der reichsgesetzlichen Beseitigung des Landsassiats besteht nur noch ein in-
direkter') Zwang zur Erwerbung der Staatsangehörigkeit, indem Nichtmecklenburger,
welche ein Rittergut erwerben, von allen dem öffentlichen Rechte angehörigen Befugnissen
bis zum Erwerbe der Staatsangehörigkeit ausgeschlossen bleiben. Die Landstandschaft
ruht; für die Ausübung der mit dem Rittergute verbundenen obrigkeitlichen, polizeilichen
und gerichtsherrlichen Befugnisse aber kann dem Befinden nach in Mecklenburg-Schwerin
von dem Ministerium des Innern, in Mecklenburg-Strelitz von der Landesregierung auf
Kosten des Gutsbesitzers ein Stellvertreter ernannt werden.
Bürger, beziehungsweise Mitglieder einer städtischen oder ländlichen politischen Ge-
meinde, können ebenfalls nur Personen werden, welche dem Staatsverbande des betreffenden
Großherzogthums angehören, und daher können nur solche Personen an den dem öffent-
lichen Rechte angehörigen Befugnissen innerhalb des Gemeindeverbandes theil nehmen.
Wenn Nichtmecklenburger in ein Verhältniß zu einer Ortsgemeinde treten, auf Grund
dessen sie nach den Landes= und Ortsgesetzen zum Eintritte in den Gemeinde-Verband an-
gehalten werden können, so erstreckt sich die ihnen obliegende Pflicht auch auf den Erwerb
der Staatsangehörigkeit ).
In Bezug auf den Nachweis der Staatsangehörigkeit gelten nach der V.O. vom
10. Juli 1873, durch welche die Ausführungs-V.O. zum Freizügigkeitsgesetze vom 10. Jan.
1868 ergänzt und abgeändert ist, für alle Reichsangehörigen lediglich die Bestimmungen
des § 2 des Freizügigkeitsgesetzes. Die Bestimmung der V.O. vom 10. Januar 1868,
wonach Mecklenburger außerdem zum Nachweise ihrer Ortsangehörigkeit verpflichtet waren, ist
durch die V. O. vom 10. Juli 1873 beseitigt.
In Bezug auf die Naturalisation von Ausländern sind die Verordnungen vom
1. Juni 1853 in Kraft geblieben, wonach die Naturalisation nur dann gewährt wird,
wenn der Antragende gleichzeitig die Niederlassung an einem Orte des Inlandes nach
den für dieselbe bestehenden Gesetzen gewinnt"), während sie beim Vorliegen dieser Vor-
1) Naabe V. S. 241. ·
2)R.G.überdieFreizügigkeitvomI.November1867§l,alin.3.
3) V. O. vom 28. Dezember 1872 betr. die Mecklenburgische Staatsangehörigkeit. Eine Ver—
pflichtung zum Erwerbe des Bürgerrechts bestand in den Städten nach L. G. G. E. V. 8 474 für Alle,
die in denselben bürgerliche Nahrung treiben wollten; daneben auf Grund statutarischer Bestim-
mungen auch für Eximirte, wenn sie Grundeigenthum erwarben. Für die Reichsangehörigen sind
diese Bestimmungen durch das Freizügigkeitsgesetz aufgehoben und durch § 13 der Gewerbeordnung
vom 21. Juni 1869 ersetzt. Von der dort statuirten Befugniß der Gemeindebehörden ist bisher
nur in den Städten Doberan und Ludwigslust Gebrauch gemacht, doch schweben seit 1878 Ver-
handlungen über eine allgemeine V.O. betr. das Bürgerrecht in den Städten, die indeß noch nicht
zum Abschlusse gekommen sind. Eine Verpflichtung zum Erwerbe der Gemeinde-Angehörigkeit in
een Domänen findet in Mecklenburg-Schwerin nach Beschluß der Gemeinde für die im Gemeinde-
bezirke selbstständig wohnenden ortsfremden Besitzer dortiger Wohngrundstücke statt. (Revidirte Do-
manial Gemeinde-Ordnung vom 29. Juni 1869 § 4, §5 sub 1 Abs. 4.) vgl. Landrecht III,
. ff.
4) Hierher gehören in Mecklenburg-Schwerin für die Niederlassung im Domanium
V.O. vom 28. Juni 1809 (Raabe ll, S. 78) und vom 24. Dezember 1851 (Raabe V, S. 56), für
die Aufnahme in den Städten V. O. vom 18. August 1827 (Raabe IV, S. 816); in Mecklen-
burg-Strelitz für die Aufnahme im Domanium V.O. vom 22. Juli 1797, 8. September 1802,
25. Februar 1817, 13. April 1835 und vom 23. April 1853.