Full text: Handbuch des öffentlichen Rechts. Band III.2.1. Das Staatsrecht von: Mecklenburg-Schwerin, Mecklenburg-Strelitz, Oldenburg, Braunschweig, Anhalt, Waldeck, Schaumburg-Lippe, Lippe. (5)

8 4. Verfassungsgeschichte. 13 
Städten, entwickelt. Das Verhältniß beider zu einander war in ältester Zeit ein fest bestimmtes 
nicht. Den Landesherrn stand gegen die einzelnen Grundherrn eine Reihe von Herrschaftsrechten 
weiteren oder engeren Umfangs zu, welche den Rittern gegenüber auf dem Lehensverbande, den 
Stiftungen und Städten gegenüber auf dem Stiftungs- oder Gründungsvertrage beruhten. Zur 
Verwirklichung dieser Rechte aber, welche unter einem einheitlichen Gesichtspunkte zunächst noch nicht 
erscheinen, stand den Landesherrn, da bis 1348 rechtlich, von da an aber wenigstens thatsächlich 
ein geeigneter Rechtsweg nicht vorhanden war, nur das Mittel gewaltsamen Zwanges zur Seite. 
Im Einzelnen beschränkten sich die landesherrlichen Rechte wesentlich auf die von den Rittern zu 
leistenden Roßdienste, auf die von den Hintersassen zu leistenden Kriegsdienste (Landwehr), auf die 
höhere Gerichtsbarkeit und eine dem Betrage nach feststehende Abgabe (Bede). Erst allmählig bil- 
dete sich die Landesherrschaft zu einem einheitlichen, dem Inhalte nach fester bestimmten Landes- 
regimente aus, welches die Ausübung der regalia majora begrifflich umfaßte, so daß die Rechte 
der Grundherrn als Privilegien gegenüber dem an sich weiter gehenden Landesregimente erschienen. 
Hand in Hand mit dieser Entwicklung ging eine ähnliche Ausbildung der ständischen Rechte selbst, 
welche sich im Anschlusse an eine fortschreitende korporative Organisation der Grundherrn ebenfalls 
zu einem einheitlichen Rechte auf eine bestimmte Theilnahme an der Regierung des Landes, Land- 
standschaft, ausgestaltete. Die korporative Verfassung der Stände erreichte ihren Abschluß im 
Jahre 1523 mit einem zwischen den Prälaten, Mannen und Städten der Lande Mecklenburg, 
Wenden, Nostock und Stargard zum Schutze ihrer Privilegien gegen Jedermann und zur Aufrecht- 
erhaltung der Einigkeit unter sich geschlossenen Bündnisse, der s. g. landständischen Union!), 
in welcher die bis dahin in den einzelnen Landestheilen bestehenden einzelnen ständischen Verbän- 
de sich zu einer, das ganze Land umfassenden Gesammt-Korporation zusammenschlossen, welche dem- 
nächst ihre Einheitlichkeit selbst den Landestheilungen gegenüber zu behaupten wußte. 
Mit dem 16. Jahrhundert beginnt die innere Ausbildung der ständischen Gerechtsame, eben- 
falls im Wege fortwährender Kämpfe und Verhandlungen mit den Landesherrn, welche durch die 
anhaltenden Kriege mehr und mehr in pekuniäre Bedrängniß gebracht, beim Fehlen eines Besteue- 
rungsrechtes darauf angewiesen waren, gegen Zusicherungen von Privilegien an die ständische Kor- 
poration freiwillige Geldleistungen, insbesondere die Bewilligung von außerordentlichen Beden 
und Tilgungen landesherrlicher Schulden, zu erwirken. Die aus solchen Veranlassungen in feier- 
licher Form ertheilten, meistens kaiserlich bestätigten Zusicherungen (Assekurationen, Re- 
versalen) bilden die Grundlage der landständischen Verfassung. 
Die wichtigsten derselben sind: 
Der Assekurations-Revers von 1555, durch welchen die Stände ein freies Be- 
willigungsrecht auch für die alte ordentliche Bede erwirkten ); die Reversalen von 157238), 
durch welche alle früher ertheilten Privilegien bestätigt wurden; der Revers und der Asse- 
kurations-Revers vom 23. Februar 16210), durch welchen die Einheit des Landes 
in Bezug auf die evangelisch-lutherische Konfession, auf die Kontributionen und Landtage herbeige- 
führt und die Theilnahme der Stände an der Regierung des Landes durch Gründung einer ei- 
genen, ausschließlich unter der Verwaltung eines ständischen Ausschusses stehenden Kasse für die 
Schuldentilgungen (Landkasten) wesentlich erweitert wurde. 
Mit dem Jahre 1621 ist der landständische Organismus, als dessen Mitglieder nach der in 
Folge der Reformation eingetretenen Beseitigung des Prälatenstandes nur die Ritter und Städte 
(Ritter= und Landschaft)g erscheinen, wesentlich konsolidirt. Das folgende Jahrhundert 
stellte ihn vor die Aufgabe, sich der mehr und mehr erstarkten, absolutistische Ziele verfolgenden 
Landesherrschaft gegenüber zu behaupten. Der Kampf, welcher nunmehr mit den Waffen des Pro- 
zesses vor den Schranken des Reichshofrathes geführt wurde, dauerte länger als ein Jahrhundert, 
während dessen eine Fluth von kaiserlichen Dezisionen, Reichshofraths-Erkenntnissen und Schieds- 
sprüchen einer eigens ad hoc eingesetzten schiedsrichterlichen Hof-Kommission erging 5), deren Voll- 
ziehung durch Exekutionstruppen das Land auch pekuniär in den Zustand völligster Erschöpfung 
versetzte und welche sogar, wenn auch nur vorübergehend, die Suspension des Herzogs Leopold 
zur Folge hatten. Endlich gelang es dem 1748 zur Regierung gelangten Herzoge Christian Ludwig, 
den zu einem bellum omnium contra omnes ausgearteten Kampf zu beendigen, und nachdem der 
5 18 ai 80. 1,81 
iscus S. 30; Balck, Finanzverhältnifse II, 8 144. 
3) P.G.S. III, S. 81 f. 
4) P.G. S. III, S. 85 ff. 
5) Die Justissimae Decisiones Imperiales in causis Mecklenburgicis, 1746, eine Samm- 
lung wesser Eisheidungen, weisen aus den Jahren 1713—1745 deren über 700 auf. (Landrecht I, 
„Note 3.
	        
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