§ 9. Die bestehende Verfassung. 2. Organisation der Stände. 25
3. die Seestadt Rostock,
welche indeß, soweit nicht ihre Sonderrechte zur Frage stehen, mit zur Landschaft gerechnet wird.
Von den Mitgliedern der Ritterschaft werden zugleich ihre Bauern und Hinter-
sassen, von den Städten ihre Bürger und Einwohner repräsentirt. Ohne selbst Land-
standschaft zu besitzen, stehen innerhalb des ständischen Verbandes die Güter des Rostocker
Distrikts, welche von der Stadt Rostock, und die Landesklöster, welche von gesammter
Ritter= und Landschaft vertreten werden 1); außerhalb der ständischen Verfassung dagegen
stehen die Städte Wismar und Neustrelitz, sowie das Fürstenthum Ratzeburg.
Die Landstandschaft der Rittergutsbesitzer ist ein mit dem Besitze
des Gutes verbundenes publizistisches Realrecht, welches mit dem Grundstücke auf jeden
Erwerber übergeht und dessen Ausübung zu Folge der korporativen Organisation der
Stände in der Form einer Theilnahme an den Berathungen und Beschlüssen der stän-
dischen Korporation erfolgt. Der bürgerliche oder adelige Stand als solcher ist für die
Landstandschaft nicht von Bedeutung; nur der dem eingeborenen und rezipirten
Adel angehörige Theil der adeligen Ritterschaft genießt besondere Vorrechte, welche
hauptsächlich in der ausschließlichen Theilnahme an den Landesklöstern (s. unten § 15)
und in der ausschließlichen passiven Wahlfähigkeit für die Landrathsstellen bestehen (s.
unten § 11),). Das religiöse Bekenntniß ist seit dem R.G. vom 3. Juli 1869 ebenfalls
für die Ausübung der Landstandschaft gleichgültig.
Von mehreren Miteigenthümern eines Gutes kann nur einer die Landstandschaft
ausüben, welcher sich durch Entsagungs-Akten der übrigen Miteigenthümer legitimiren muß.
Das gleiche Verfahren findet auch auf diejenigen sechs Rittergüter Anwendung,
welche im Besitze freier Bauernschaften stehen.
Die Kämmerei= und Oekonomie-Güter werden von ihren resp. Kommunen vertreten.
Stiftungen und Kommunen sind landesgrundgesetzlich vom Erwerbe von Rittergütern aus-
geschlossen, doch kann die Landesherrschaft von dieser Bestimmung dispensiren; nur zum
Erwerbe von Rittergütern durch die Landesklöster ist die Zustimmung der gesammten
Ritter- und Landschaft erforderlich). Handelsgesellschaften und eingetragenen Genossen-
schaften ist der Erwerb nur im Zwangsversteigerungs-Verfahren und unter der Voraus-
setzung gestattet, daß ihnen eine hypothekarische Forderung am Gute zusteht; sie sind je-
doch von allen dem öffentlichen Rechte angehörigen, mit dem Gute verbundenen Rechten
ausgeschlossen und verpflichtet, die von ihnen erworbenen Güter innerhalb dreier Jahre
nach dem Erwerbe wieder zu veräußern ?). Eine Bestimmung des L. G. G. E. V.“), wodurch
die Veräußerung von Rittergütern an auswärtige Potentiores, d. i. an regierende Fürsten
und deren ebenbürtige Familienmitglieder, verboten wurde, hat durch die Freizügigkeits--
Gesetzgebung ihre Geltung verloren.
Unter Umständen tritt ein Ruhen der Landstandschaft aus Gründen,
welche in der Person des Eigenthümers liegen, ein; von der Landstandschaft sind nemlich
ausgeschlossen: die Landesherrn rücksichtlich der Inkamerata, die Kommunen und Klöster
rücksichtlich der seit 1755 von ihnen etwa erworbenen Rittergüter, bevormundete Personen
für die Dauer der Vormundschaft, Nichtmecklenburger bis zum Erwerbe der Mecklen-
1) L. G. G.E. V. § 137.
2) Der Begriff des eingeborenen und rezipirten Adels hat sich so ausschließlich mit Rücksicht
auf die Klosterfähigkeit entwickelt, daß es zweckmäßig schien, dem die Landesklöster behandelnden
Abschnitte (unten § 15) auch das Nähere über den eingeborenen und rezipirten Adel vorzubehalten.
3) Vgl. darüber Reskr. an den E.A. vom 1. Oktober 1846 (Raabe V, 1163), Roth,
Meckl. Lehnrecht § 15, Note 41. Landrecht III, S. 268 ff.
4) L. G. G.E. V. §§ 131, 471, 472.
5) V. O. vom 22. Mai 1876.
6) L. G. G. E. V. 88 471, 472, Deklarator-V. O. vom 2. Mai 1842 (Raabe IV, S. 908).