Full text: Handbuch des öffentlichen Rechts. Band III.2.1. Das Staatsrecht von: Mecklenburg-Schwerin, Mecklenburg-Strelitz, Oldenburg, Braunschweig, Anhalt, Waldeck, Schaumburg-Lippe, Lippe. (5)

32 Büsing, Das Staatsrecht der Großherzogthümer Mecklenburg. 8 13. 
fremd. Jeder der intimirten Gegenstände kann auf Antrag eines Einzelnen jederzeit zum 
Gegenstande der Berathung und Beschlußfassung gemacht werden; und da in jedem Augen— 
blicke auch neue Regierungsvorlagen mittelst Reskriptes eingehen können, so weiß nicht ein- 
mal das Direktorium vorher, was in der bevorstehenden Sitzung möglicherweise verhan- 
delt werden kann. 
Bei der Berathung spricht jeder nach Belieben; falls durch das gleichzeitige Reden 
Mehrerer der geordnete Fortgang der Verhandlungen bedroht erscheint, haben die Land- 
marschälle durch Aufstoßen mit den Marschallstäben auf den Boden für die Wiederher- 
stellung der Ordnung zu sorgen. Soweit möglich sucht der Vorsitzende als Resultat der 
Debatte eine „allgemeine Beliebung"“ herauszufinden, welche dann niedergeschrie- 
ben und der Abstimmung, sofern eine solche überhaupt erforderlich erscheint, zu Grunde 
gelegt wird. Deliberation und Abstimmung sind nicht öffentlich. Die Abstimmung über 
eine abgelehnte Vorlage kann auf demselben Landtage beliebig oft wiederholt werden. 
Die Abstimmungen erfolgen stets durch Stimmzettel und zwar wird nach Köpfen gestimmt, 
solange nicht ein Stand im Wege der ltio in partes auf Standes-Vota provozirt. Für 
die Beschlüsse genügt einfache Majorität, doch steht es jedem Einzelnen frei, Proteste und 
Reservationen zum Protokolle schriftlich zu überreichen oder mündlich als Diktamen zum 
Protokolle abzugeben. In allgemeinen ständischen Angelegenheiten ist jedes Mitglied der 
Ritterschaft und der Landschaft (d. i. jede Stadt) zum Stimmen berechtigt; in Angelegen- 
heiten, welche nur einen Stand, oder nur einen Kreis angehen, z. B. Wahlen, Kontrole 
der Kassen, nehmen nur die Betheiligten an den Verhandlungen und Abstimmungen theil; 
in Klostersachen endlich stimmen von der Ritterschaft nur die Mitglieder des eingeborenen 
und rezipirten Adels. In solchen Sachen, welche das Interesse der Landesherrn unmittel- 
bar angehen, sind diejenigen Ständemitglieder, welche: „in wirklichen Funktionen, Diensten 
und Besoldung der durchlauchtigsten Landesherren stehen“, die s. g. Auliei, von der Ab- 
gabe ihrer Stimmen ausgeschlossen!). Daß wohlerworbene Rechte Einzelner durch Majori- 
tätsbeschlüsse nicht gekränkt werden können, versteht sich von selbst. Insbesondere wird 
die Stadt Rostock durch Landtagsbeschlüsse, welche ihren Privilegien zuwiderlaufen, nur 
verbunden, wenn sie mit ihrer Zustimmung ergangen sind. Sie ist jedoch unter dem Prä- 
judiz des Konsenses verpflichtet, das Privilegium, auf Grund dessen sie einem Landtags- 
beschlusse widersprechen zu können glaubt, sofort anzugeben, vorausgesetzt, daß ihr die 
Propositionen ausreichend spezifizirt mitgetheilt waren, um eine vorherige Instruktion der 
Rostocker Deputirten zu ermöglichen. Andernfalls können sich die Deputirten damit be- 
gnügen, den Beschluß ad referendum zu nehmen)). 
Die gefaßten Beschlüsse werden von einer Kommitte schriftlich formulirt. Zu 
ihrer Gültigkeit ist es erforderlich, daß sie noch einmal vor dem Direktorialtische verlesen, 
genehmigt und durch Vorsetzung einiger Namen von Anwesenden bekräftigt werden. Dem 
Direktorium steht ein Recht der Sanktion gegenüber gefaßten Beschlüssen nicht zu 2). Die 
Antworten der Stände werden, falls die Sache nicht ohne Weiteres zum Abschlusse reif 
ist, durch schriftliche Erklärungen abgegeben und von den Landesherrn durch Reskripte be- 
antwortet, bis eine Einigung erfolgt oder das Nichtzustandekommen einer solchen feststeht. 
Die definitive Antwort der Stände auf die landesherrlichen Propositionen wird in Grund- 
lage der gefaßten Beschlüsse in die Form eines Memorials gebracht, von dem ältesten 
Landrathe und dem ersten Deputirten der Stadt Rostock unterschrieben, und von den 
1) Vergleich zwischen der Ritter- und Landschaft und den Aulicis vom 24. Oktober 1789. 
2) Rostocker Erbvertrag von 1788 8 43 ff. (ogl. Erbvertrag von 1573 v. v. Es soll und 
will), s. auch Vergleich zwischen der Ritter- und Landschaft und der Stadt Rostock vom 27. Juni 
1793 (P.G.SS. III. S. 98. 210. 246 ff). 
3) Landtagsprotokoll vom 30. November 1774 (Raabe V, 1140). r
	        
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