8 15. Die bestehende Verfassung. 2. Organisation der Stände. 35
Reichs-Deputations-Hauptschluß von 1803 nämlich wurden sie der freien landesherrlichen
Disposition überlassen, kamen indeß in Folge einer Entsagungsvereinbarung vom
22. April 1809 gegen eine Geldleistung aus den Mitteln der Klöster (s. S. 36)
wieder an die Stände zurück. Die zur Schuldentilgung im Jahre 1572 erforderlichen
Mittel wurden durch allgemeine Abgaben von allen Einwohnern des Landes aufgebracht,
und so wenig daher der Vertrag über die Klöster als ein zwischen dem Landesherrn und
den Ständen abgeschlossenes Kaufgeschäft angesehen werden kann, so wenig ging durch ihn
das Eigenthum der Klöster auf die Stände über. Vielmehr behielten die Klöster, welche
seit der Reformation ihren kirchlichen Charakter verloren hatten und zu weltlichen Ver-
sorgungs-Anstalten geworden waren, ihre juristische Persönlichkeit als Stiftungen bei 0
und nur die Verwaltung der Klöster und die Disposition über die Nutzungen derselben
wurden der ständischen Gesammt-Korporation, als dem Organe der Stiftungen, übertragen.
Die Verwaltung der Klöster erfolgt durch ständische Beamte, nämlich
Kloster-Provisoren und Kloster-Hauptleute, von denen erstere auf vier,
letztere auf sechs Jahre auf allgemeinen Landtagen gewählt werden. Sie stehen unter der
Kontrole der Stände, welche durch die Landlagsversammlung geübt wird, und werden von
der schweriner Landesherrschaft bestätigt, unter deren ausschließlicher Landeshoheit alle
drei Klöster stehen. Die Nutzungen der Klöster werden in der Art verwandt, daß die-
selben theils in Natur, theils in Geld unter eine bestimmte Anzahl von Konventua-
linnen vertheilt werden. Je nach der Größe der den Einzelnen zustehenden Kompetenz
unterscheidet man ganze, halbe und viertel Hebungen?). Die Konventualinnen jedes
Klosters, welche der evangelisch-lutherischen Kirche angehören müssen), bilden einen
Konvent, an dessen Spitze eine Domina steht, welche vom Konvente gewählt und vom
Landesherrn und den Provisoren bestätigt wird. Ihre Befugnisse beschränken sich auf die
Aufrechterhaltung der inneren Ordnung.
Die Ueberweisung der Klöster war zunächst an die Gesammt-Korporation beider
Stände erfolgt. Allein von vorne herein war die Theilnahme der Ritterschaft eine so
überwiegende, daß die Landschaft zeitweise fast gänzlich von denselben ausgeschlossen blieb.
Als dann später im Anfange des vorigen Jahrhunderts die Städte ihre Ansprüche wieder
in vollem Umfange durchzusetzen suchten, gelang es der Ritterschaft, eine Theilung
des Antheils beider Stände herbeizuführen, inhalts deren den Städten eine
bestimmte und zwar ganz minimale Zahl von Hebungen aus den einzelnen Klöstern be-
willigt wurde, während im Uebrigen die Klöster ausschließlich in die Hände der Ritterschaft
übergingen ). An den Wahlen der Klosterbeamten nimmt die Landschaft aktiv, nicht aber
passiv theil ?) (s. unten S. 37 Note 1).
Da im sechszehnten Jahrhundert die Mitglieder der Ritterschaft nahezu ausschließ-
lich dem Adel angehörten und es natürlich war, daß diese die zu ihrer Disposition stehenden
Konvents-Stellen regelmäßig ihren eigenen Angehörigen zuwandten, so kamen thatsächlich die
Klostereinkünfte ausschließlich Adeligen zu Gute. Dieses Verhältniß gewann jedocheine juristische
Bedentung erst dann, als die Ritterschaft durch die Einwanderung fremder Adelsfamilien und
durch das Eindringen bürgerlicher Elemente ihre ursprüngliche Exklusivität verlor. Denn nun
wurde mit der Behauptung, daß die Ueberweisung der Klöster im Jahre 1572 nicht an die poli-
1) Landrecht III. 69.
2) Vgl. Schw. "esn. I. S. 211 ff., Str. H. St. B. II. S. 185 ff.
3) Viereck l. S. 174.
4) Vertrag vom 14. November 1737. L.G.G.E.V. § 125. Ueber den Versuch der Städte,
gegen die letztere Bestimmung im Nechtswe 86. in integrum restitutio zu erlangen, s. Viereck,
S. 275 ff. (Beilage X AX. V. III. S
5) Vergleich zwischen Ritter= und L#onol. vom 4. Mai 1804, vergl. Viereck Beil. XX. W.
CII. S. 129), Noude IV. S. 787.
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