38 Büsing, Das Staatsrecht der Großherzogthümer Mecklenburg. § 16.
Eine juristische Begründung ) der vom eingeborenen und rezipirten Adel präten-
dirten Rechte ist bisher nicht gelungen. Die am nächsten liegende Auffassung, daß die
Stellung eines Organs der Klöster von der politischen Korporation der Ritterschaft auf
eine Privatkorporation der Ritterschaft vom eingeborenen und rezipirten Adel übergegangen
sei, wird abgesehen von der Frage, ob ein solcher Uebergang im Wege der Observanz
überhaupt juristisch möglich sein würde, dadurch widerlegt, daß das Bestehen einer Kor-
poration des eingeborenen und rezipirten Adels von diesem selbst, als der unionsmäßigen
Einheit der Ritterschaft widersprechend, mit Bestimmtheit in Abrede gestellt wird 2). Weiter
aber widersprechen einer solchen Auffassung die Umstände, daß alle Verhandlungen in
Klostersachen ausschließlich auf allgemeinen Landtagen erfolgen müssen, daß alle Beschlüsse
Namens der gesammten Ritter= und Landschaft ergehen und schließlich, daß der Engere
Ausschuß, welcher zweifellos nur Organe der politischen Stände-Korporationen ist, auch in
Klostersachen fungirt. Endlich würde aber diese Auffassung auch die ausschließliche Be-
rechtigung des eingeborenen und rezipirten Adels auf die Konventsstellen immer noch
nicht erklären, da diese Berechtigung, wie hervorgehoben, auf die Angehörigen der Ritter-
schaft nicht beschränkt ist. Der von anderer Seite gemachte Versuch aber, neben dem zur
Verwaltung berufenen Organe ein zweites Rechtssubjekt als Träger des Anspruchs auf die
ausschließliche Theilnahme an den Nutzungen zu konstruiren, muß schon an dem Bedenken
scheitern, daß ein solcher Anspruch jedenfalls als ein rechtlich verfolgbarer nicht besteht.
Insbesondere kann eine Abänderung und namentlich eine Erweiterung des Kreises der
Berechtigten durch die Ritterschaft vom eingeborenen und rezipirten Adel erfolgen, ohne
daß der an den Nutzungen theilnehmende, aber nicht zur Ritterschaft gehörige Theil des
Adels der durch eine solche Vermehrung der Berechtigten herbeigeführten Schmälerung
seiner Rechte irgendwie widersprechen könnte. Daß aber etwa die Ritterschaft vom ein-
geborenen und rezipirten Adel als Vertreterin der übrigen nicht zur Ritterschaft gehörigen
Familien anzusehen sei, wird man beim Fehlen jedes historischen Grundes nicht ohne
Weiteres annehmen können.
Einen Weg, die Frage der Prärogativen des eingeborenen und rezipirten Adels
rechtlich zum Austrage zu bringen, scheint allerdings die bestehende Verfassung nicht zu
gewähren #).
III. Kapitel.
Die politischen Gewalten.
§ 16. Im Allgemeinen. Dem ständischen Staate ist der Begriff einer einheitlichen
öffentlichen Staatsgewalt, welche, unabhängig von ihren jeweiligen Trägern bestehend, in
diesen nur ihre Organe sieht, fremd. Eine abstrakte Staatsgewalt in diesem Sinne besteht
im ständischen Staate vielmehr überhaupt nicht, und insofern das Dasein einer solchen für
den Begriff des modernen „Staates“ wesentlich erscheint, ist Mecklenburg kein Staat. Der
ständische Organismus kennt nur einen Komplex persönlicher Befugnisse, welche unter den
die vom Adel prätendirten Rechte im Rechtswege), steht die landesherrliche Proposition zur Ver-
fassungsreform von 1874 auf dem diametral entgegengesetzten Standpunkte, indem sie die Ritter-
und Landschaft als Privat-Korporationen „für ihre korporativen Angelegenheiten z. B. Klostersachen“
bei Bestand lassen will, vgl. Motive zum § 120 des Staatsgrundgesetzes vom 10. Oktober 1849,
Viereck, Beil. XXIV. III. S. 170] und § 26 der Propositionen von 1874, Viereck, Beil. XXV.
IIIX. S 173). Die Ausüvung der Oberaufsicht steht nach Schw. St. K. 1. 213 dem Ministerium,
Abtheilung für geistliche Angelegenheiten zu. Viereck J. S. 232 hält lediglich das Staatsmini-
sterium für den Ständen gegenüber zuständig.
1) Vgl. Viereck I. S. 170 ff. 242 ff.
2) Viereck, Beil. XXI. Z. III. S. 161.)
3) Viereck l. S. 168 ff.