40 Büsing, Das Staatsrecht der Großherzogthümer Mecklenburg. § 17.
wenn den Unterthanen aus dem Vertrage des Landesherrn mit den Ständen direkte Rechte er-
wachsen wären, was nicht der Fall ist, eben weil die Stände Vertreter der Unterthanen nicht waren.
Hätte die Landesherrschaft den Ständen die Stellung von Repräsentanten der gesammten Landes-
einwohner einräumen wollen, was übrigens namentlich rücksichtlich des Domaniums zweifellos
ihre Absicht nicht war, so wäre dies in der That eine reine Fiktion gewesen, da die Unterthanen
selbstständige politische Rechte durch eine solche Abmachung nicht erwarben, ihnen gegenüber der
Landesherr vielmehr — soweit nicht ständische Rechte entgegenstanden — nach wie vor absolut
blieb. Uebrigens beschränkte sich der Konvokationstag von 1808 auf Mecklenburg-Schwerin und
man müßte daher annehmen, daß die Stellung der Stände in beiden Großherzogthümern seit
1808 eine sundamental verschiedene geworden wäre, was schon der Union wegen nicht angehen
würde. Auch durch die demnächst erfolgte analoge Entwickelung des Finanzwesens in Mecklen-
burg-Strelitz (s. u. S. 58.) würde diese Anomalie nicht gehoben sein, da die Gleichartigkeit der
Entwickelung in beiden Ländern nicht auf eine gemeinsame Quelle zurückzuführen ist und daher
äußerlich als etwas zufälliges erscheint.
§ 17. a. Die gesetzgebende Gewalt des Landesherrn) wird durch ständische Kon-
kurrenz, entsprechend der Natur der ständischen Rechte, nur insoweit beschränkt, als stän-
dische Rechte und ständisches Gebiet in Frage kommen. Soweit dies nicht der Fall ist,
wie namentlich im Domanium, ist der Landesherr absoluter Gesetzgeber ). Andererseits
hat die vertragsmäßige Natur der ständischen Rechte zur Folge, daß dieselben nur mit
Zustimmung der Berechtigten, d. h. im Wege eines neuen Vertrages, abgeändert und auf-
gehoben werden können. Diese Verträge kleiden sich gegenwärtig in die Form eines stän-
dischen Konsenses zu den landesherrlichen Gesetzesvorlagen, soweit diese die stän-
dischen Rechte berühren. Jedes Gesetz, welches in ständische Rechte eingreift, und zu diesen
gehören namentlich auch diejenigen, welche eine Erweiterung der landesherrlichen Gewalt
über den Kreis des eigentlichen, auf die regalia majora beschränkten, Landesregiments
hinaus bezwecken, — ist materiell als ein solcher Vertrag anzusehen. Der ständische
Konsens, wenn auch zu einem internen Stadium der Gesetzgebung geworden, erscheint als
ein wahrer Vertrags-Konsens, so daß eine Verletzung dieses Konsensrechtes der ständischen
Korporation Veranlassung zur Beschreitung des Rechtsweges durch Anrufung der Kom-
promiß-Instanz bietet. Insoweit folgt die Theilnahme der Stände an der Ausübung der
gesetzgebenden Gewalt aus der Natur der ständischen Rechte. Wenn den Ständen darüber
hinaus eine berathende Theilnahme auch an denjenigen Akten der Gesetzgebung grundge-
setzlich zusteht, welche die wohlerworbenen Rechte der Stände unberührt lassen, so ist dieses
Theilnahmerecht an sich zwar etwas zufälliges; so bald es aber einmal entstanden ist,
nimmt es ebenfalls den Charakter des klagbaren, wohlerworbenen Rechtes an. Der
L. G.G. E.V. ) regelt den Antheil der Stände an der gesetzgebenden Gewalt völlig dem-
entsprechend. Während der Landesherr, abgesehen vom Domanium, auch in solchen An-
gelegenheiten, welche ausschließlich die landesherrlichen Diener angehen, absolut ist, wird
bezüglich derjenigen Gesetze 1), welche die gesammten Lande mit Einschluß der Ritter= und
Landschaft angehen, unterschieden. Berühren dieselben die wohlerworbenen Rechte der
Ritter= und Landschaft oder eines der beiden Stände, so bedürfen sie der ausdrücklichen
Zustimmung der gesammten Stäunde oder des betheiligten Standes"); für den Fall der
1) Landrecht I. S. 125, 292, 308. Hagemeister § 78 ff. Trotsche, Mecklenbur-
gischer Civil-Proceß J. § 7.
2) Außer im Domanium ist der strelitzer Landesherr absolut in Neustrelitz (s. oben S. 23)
und er war es im Fürstenthume Ratzeburg bis zum Erlasse der Verfassung von 1869, deren Ok-
troyirung eben auf Grund der absoluten Stellung des Landesherrn erfolgte, s. unten S. 68 ff.
Der schweriner Landesherr würde in Wismar absolut sein, wenn nicht die im Artikel XVII. des
Malmöer Traktates gegebene Garantie für den Fortbestand der städtischen Privilegien entgegen-
stände (s. oben S. 7).
3) L. G.G. E.V. Artikel VIII. (6 191—200).
4) Der Unterschied zwischen Gesetzen und Verordnungen hat in Mecklenburg keine Bedeutung.
Landrecht I. S. 311.
5) Berührt das Gesetz nur die Rechte eines Standes, so wird dessen Zustimmung für aus-
reichend gehalten. Landrecht a. a. O. Berührt das Gesetz die Rechte nur eines einzelnen Stände-