42 Büsing, Das Staatsrecht der Großherzogthümer Mecklenburg. 8 18.
ungen der Seestädte der landesherrlichen Bestätigung nicht unterliegen. Die Autonomie
umfaßt das gesammte Gebiet des öffentlichen und privaten Lokalrechtes, soweit nicht Be—
schränkungen ausdrücklich festgesetzt sind; nur für den Fall eines Mißbrauchs der Auto—
nomie ist landesherrliches Einschreiten vorbehalten, und von selbst versteht es sich, daß die
autonomische Gesetzgebung der Seestädte an der Reichsgesetzgebung überall ihre Schranke
findet. Ueber die Ausübung der Autonomie entscheiden die Stadt-Verfassungen.
Nicht auf der städtischen Autonomie beruht das Recht der Stadt Rostock, die venia
aetatis an Rostocker zu ertheilen. Dieses Recht wird vielmehr vom Rathe kraft einer in
berpetuum ertheilten landesherrlichen Delegation ausgeübt ).
Weitere Fälle wahrer Autonomie giebt es in Mecklenburg, abgesehen von der au-
tonomischen Gewalt des landesherrlichen Hauses, nicht?.
§ 18. b. Die vollziehende Gewalt des Landesherrn ist ebenfalls zwischen den Landes-
herrn und den Ständen der Ausübung nach getheilt. Die Lokal-Obrigkeit, ins-
besondere Patrimonial-Gerichtsbarkeit und Polizeigewalt, wird von
den einzelnen Grundherrn in ihrem Gebiete in eigenem Namen und kraft eigenen Rechtes
geübt. Die Eigenthümlichkeit dieses Zustandes tritt bei den Städten am wenigsten zu
Tage, weil diese auch in konstitutionellen Staaten mehr oder weniger im Besitze obrig-
keitlicher Stellung sich behauptet zu haben pflegen; dagegen kommt sie bei den ritterschaft-
lichen Gutsherrn, einschließlich der Kommunen und Klöster in Ansehung der von ihnen
besessenen ritterschaftlichen Güter, rein zur Anschauung. Hier erscheint die obrigkeitliche
Stellung als ein mit dem Besitze eines jeden ritterschaftlichen Allodial= oder Lehngutes
verbundenes publizistisches Realrecht, welches ganz nach Art eines Privatrechtes mit dem
Grundbesitze ohne Mitwirkung des Landesherrn erworben und übertragen wird ?). Wie
die Landstandschaft"), so war auch die grundherrschaftliche Stellung gegenüber den hörigen
Hintersassen, welche die obrigkeitlichen Befugnisse ohne weiteres mitumfaßte und aus welcher
sich die Obrigkeit entwickelt hat, ausschließlich ein Recht, dem Pflichten nicht gegenüber
standen. Erst seit mit dem Schwinden des Hörigkeitsverhältnisses der Begriff der stäu-
dischen Obrigkeit prinzipiell ein anderer geworden ist, können den obrigkeitlichen Rechten
obrigkeitliche Pflichten korrespondiren, zwar nicht gegenüber den der Obrigkeit unterwor-
fenen Personen, wohl aber gegenüber der Landesherrschaft. Aus diesem Grunde kann die
Obrigkeit nicht, wie die Landstandschaft, ruhen, wenn ihre Ausübung durch den Guts-
herrn zeitweilig unmöglich wird. Die obrigkeitlichen Pflichten erheischen unter allen Um-
ständen Erfüllung, und wo eine geeignete Vertretung des Gutsherrn nicht schon durch die
Verhältnisse selbst gegeben ist, wie z. B. im Falle einer Vormundschaft, wird von der
Landesherrschaft für die Ausübung der obrigkeitlichen, polizeilichen und gerichtsherrlichen
Rechte ein besonderer Vertreter bestellt?).
Gleichwohl sind die Inhaber ständischer Obrigkeit keine Beamten, denn „die Aus-
übung eines eigenen wohlerworbenen Rechtes, auch wenn dieselbe nicht ohne die Aner-
kennung und Erfüllung der schwersten und heiligsten Pflichten gedacht werden kann, ist
kein Dienst“).
1) Rostocker Erbvertrag 1788. § 273.
2) Man hat solche irrigerweise beigelegt den Landstädten, der Ritter= und Landschaft, den
Zünften und der Landes-Universität, ogl. darüber Landrecht l. S. 356. 367.
S 8 Vgl. den Bericht des Oberappell.G. zu Rostock vom 9. Dezember 1872 bei v. Amsberg,
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Vgl. oben S. 39.
q) 3. B. V.O. vom 28. Dezember 1872 betr. die meckl. Staatsangehörigkeit. V.O. vom
22. Mai 1876 betr. die Befugniß der Handelsgesellschaften und eing. Genossenschaften zum Erwerbe
von Grundeigenthum.
6) S. den bei v. Amsberg S. 202 zitirten Bericht des O.A.G. zu Nostock vom 9. De-
zember 1872.