Full text: Handbuch des öffentlichen Rechts. Band III.2.1. Das Staatsrecht von: Mecklenburg-Schwerin, Mecklenburg-Strelitz, Oldenburg, Braunschweig, Anhalt, Waldeck, Schaumburg-Lippe, Lippe. (5)

50 Büsing, Das Staatsrecht der Großherzogthümer Mecklenburg. 823. 
Nachdem in Folge der Reichs-Justizgesetzgebung die Patrimonialgerichte aufgehoben 
sind, sind für die Ausübung der bisher den Patrimonialgerichten oder den Justitiaren 
obliegenden nicht richterlichen Funktionen Behörden ins Leben gerufen, welche von den 
Gutsobrigkeiten unter dem Namen Ritterschaftliche Polizeiämter für die 
einzelnen Güter oder für mehrere gemeinsam einzusetzen sind. Durch diese Behörden 
haben sich die Gutsbesitzer auch dann vertreten zu lassen, wenn sie an der Ausübung der ihnen 
verbleibenden Polizeistrafgewalt gesetzlich verhindert sind (s. oben S. 42 Note 5), oder nach 
dem bisherigen Rechte bei der Wahl ihrer Vertretung ausschließlich auf das Patrimonial- 
gericht oder den Justitiar angewiesen waren. Ueber diese Grenzen hinaus sind die Guts- 
obrigkeiten nicht verpflichtet, wohl aber berechtigt, die Ausübung der Polizeistrafgewalt, 
sei es allgemein, sei es für einen bestimmten Fall, auf ihre Polizeiämter zu übertragen. 
Die patrimoniale Polizeistrafgewalt hat durch die Einführung der Reichs-Straf- 
prozeßordnung eine wesentliche Umgestaltung erfahren. Bis zum 1. Oktober 1879 stand 
den Lokal-Obrigkeiten eine polizeiliche Strafgewalt einschließlich der Strafvollstreckung im 
weitesten Umfange zu. So weit diese Kompetenz der Polizeibehörden reichte, schloß sie 
jedes gerichtliche Einschreiten unbedingt und definitiv aus. Die Reichs-Strafprozeßord- 
nung (§ 453 ff.) hat die Kompetenz der Polizeibehörden in erheblichem Maße eingeengt, 
ihre Ausschließlichkeit beseitigt, die Strafvollstreckung von ihr ausbeschieden und sie durch 
unbedingte Zulassung des Antrages auf gerichtliche Entscheidung gegenüber polizeilich er- 
kannten Strafen zu einer bloß vorläufigen umgestaltet. Mit den dadurch gegebenen 
Modifikationen aber ist die patrimoniale Polizeistrafgewalt bei Bestand geblieben. Da 
die Träger der Ortsobrigkeit dieser selbst nicht unterliegen können (s. oben S. 43), so 
mußte bei der früheren Ausschließlichkeit der polizeilichen Kompetenz für die Fälle, in 
denen die Inhaber der Ortsobrigkeit selbst strafbare Handlungen begangen hatten, welche 
der polizeilichen Ahndung unterlagen, ein anderweitiges Verfahren eintreten. Diesem 
Zwecke diente ein Strafprozeß vor den Justizkanzleien (fiskalischer Proceß), welche als 
höhere Landesgerichte die Obrigkeiten der Rittergutsbesitzer bildeten. Seitdem aber die 
Reichs-Strafprozeßordnung in allen Fällen neben der polizeilichen Kompetenz auch die 
Kompetenz des örtlich zuständigen Amtsgerichtes statuirt hat, werden Polizei-Uebertretungen 
der Gutsobrigkeiten ausschließlich von den Amtsanwälten und zwar ganz nach allgemeinen 
Grundsätzen verfolgt. « 
§ 23. III. Finanzwesen 1). Das Mecklenburgische Finanzwesen beruht noch heute 
auf dem ständischen Grund-Prinzip, daß, da das Landesregiment ein persönliches Recht 
des Landesherrn ist, diesem persönlich auch alle mit demselben verbundenen Einnahmen 
zufallen, ebenso aber auch alle durch das Landesregiment verursachten Kosten den Landes- 
herrn persönlich und zwar ausschließlich treffen. Dabei ist das Landesregiment jedoch 
in dem beschränkten Sinne zu verstehen, in welchem es lediglich die Ausübung der .g. 
regalia majora umfaßt. Dem entsprechend bestritt der Landesherr ursprünglich die ge- 
sammten Kosten des Landesregimentes, des fürstlichen Haushaltes und seine persönlichen 
Bedürfnisse ungetheilt aus den gesammten ihm zu Gebote stehenden Einnahmen, welche 
sich aus den Erträgnissen des Domaniums, der Herrschaft, d. h. der nutzbaren 
Herrschaftsrechte (Beden, Strafgelder u. dergl.) und des von ihm als Privatperson be- 
sessenen Chatull-(Kabinets--Verrmögens zusammensetzten. Diese drei Vermögens- 
bestandtheile bildeten bei Lebzeiten des Landesherrn in seiner Hand eine vollkommene 
Einheit ohne jede Unterscheidung und wurden einheitlich in der fürstlichen Central-Kasse, 
der Renterei, verwaltet. Erst beim Tode des Landesherrn trat eine Scheidung der 
einzelnen Vermögenstheile ein, indem Domanium und Herrschaft ausschließlich auf die 
1) Balck, Finanzverhältnisse in Mecklenburg-Schwerin; nam. II. § 144 ff., Fiscus, und 
Landrecht I. S. 184 ff. III. S. 18—64. Hagemeister § 115 ff.
	        
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