8 28. Das Landesregiment. III. Finanzwesen. 57
des-Rezeptur-Kasse und Schuldentilgungs-Kasse zu dauernden Einrichtungen des Finanz-
Organismus wurden 1). Anormal und aus einer gewissen Abneigung der Stände gegen
die Fiskus-Natur der Landes-Rezeptur-Kasse erklärlich, blieb nur, daß die Landes-Rezep-
tur-Kasse auch jetzt lediglich auf die Ansammlung und Vertheilung der außerordentlichen
Kontribution an andere Kassen beschränkt bleiben und demnach alljährlich völlig geleert
werden, von allen direkten Zahlungen aber ausgeschlossen bleiben sollte. Erst in neuester
Zeit ist auch dieser Grundsatz durch Uebertragung einer Reihe von direkten Zahlungen
auf die Landes-Rezeptur-Kasse durchbrochen.
Seither hat das Finanzwesen in Mecklenburg-Schwerin abermals eine weitgehende Um-
gestaltung erfahren. Nachdem bereits im Jahre 1863 im Anschlusse an eine Reorganisation
des Zollwesens eine durch die Ereignisse demnächst überholte Umgestaltung der Personal-
und Konsumtionssteuern erfolgt war, machte der Eintritt Mecklenburgs in den Nord-
deutschen Bund und das Deutsche Reich neue Veränderungen nothwendig, da die dem
Landesregimente allein zur Last fallenden Matrikularbeiträge der Landesherrschaft eine sehr
erhebliche Ausgabenlast aufbürdeten, welcher in den vom Reiche entfallenden Ueberschüssen
der Verwaltungseinnahmen nur eine minimale Erhöhung der Einnahmen gegenüber stand.
Diesen Verhältnissen entsprang eine Steuer vereinbarung, welche am 30. Juli
1870 zwischen der Landesherrschaft und den Ständen aller drei Kreise zu Stande kam,
sich jedoch wiederum als ein provisorisches Kompromiß zwischen den weiter gehenden Re-
formplänen der Regierung und dem Widerstreben der Stände darstellt .
Namentlich ist es auch diesmal der Landesherrschaft nicht gelungen, das Finanz-
system des L.G.G.GE.V. gänzlich zu beseitigen, sondern abermals blieb man bei einer
Mischung alter und moderner Prinzipien stehen.
Zunächst wurde das Edikt der außerordentlichen Kontribution einer so fundamen-
talen Reorganisation unterzogen, daß die auf dem neuen, demnächst im Jahre 1874 noch
einmal wesentlich modifizirten Edikte beruhende srig. ediktmäßige Kontribution
als eine ganz neue, die außerordentliche Kontribution ersetzende Steuer angesehen werden
muß. Sie wird nach zuvoriger Bewilligung auf dem Landtage je nach Bedürfniß zum
vollen ediktmäßigen Betrage oder nach Zehntelquoten des Ediktes von den einzelnen Lokal-
Obrigkeiten erhoben und an die Landes-Rezeptur-Kasse abgeliefert. Sie ist zunächst eine
landwirthschaftliche Steuer, welche von den Rittergütern, einschließlich der
Inkamerata, der Rostocker Distrikts-, der Klöster= und der Oekonomie= und Kämmerei-
Güter, als Hufensteuer erhoben wird, von den Erbpächtern und Bauern des ganzen Landes,
einschließhlich des Domaniums, aber nach einer mit der Größe des Grundbesitzes von 10
zu 10 Scheffeln steigenden Skala in entsprechender Höhe geleistet wird. Ob die Grund-
stücke verpachtet sind oder nicht, macht keinen Unterschied, doch wird von dem verpachteten
Theile des Domaniums nur eine jährliche Aversionalsumme aus der Renterei gezahlt.
Die Pächter steuern ebenfalls, und zwar nach prozentualen Theilen der jährlichen Pacht-
summe. Von den Vermiethern städtischer Grundstücke wird eine Miethssteuer er-
hoben. Weiter kommt die ediktmäßige Kontribution zur Hebung als Gewerbesteuer,
Besoldungs-, Erwerbs-, Lohn-, Zinsen= und Hundesteuer, zu welcher
durch V.O. vom 22. Januar 1881 eine Gewerbesteuer der bis dahin von derselben be-
freiten Eisenbahnen hinzugetreten ist. An der ediktmäßigen Kontribution nehmen
auch die Seestädte Theil, mit denen unterm 20. Juli 1870 besondere Vereinbarungen
getroffen waren, doch werden sie für die Aufgabe ihrer finanziellen Sonderstellung durch
Renten aus der Landes-Rezeptur-Kasse entschädigt 3.
1) Fiscus S. 139 f., 149 f.
2) Fiscus S. 166 f. Landrecht III. S. 29. 30. Balck II. § 172 ff.
3) Der Etat der Landes-Rezeptur-Kassebalancirt für das Etat-Jahr 1883—1884 mit 3343 950 M.