§ 23. Das Landesregiment. III. Finanzwesen. 59
Die Nezessarien und Anlagen sind ebenfalls im Ganzen auf der Grund-
lage des L.G.G.E.V. von Bestand geblieben. Nur wurde durch Artikel V der Verein-
barung von 1870 bestimmt, daß die Jurisdiktionsanlagen (Balancen C. 1, 2, 3) und die
feststehenden Anlagen für die privativen Bedürfnisse der Ritter= und Landschaft mecklen-
burgischen und wendischen Kreises (Balance B. 3) von der Landes-Rezeptur-Kasse bestritten
werden sollten, indem die betr. Beträge aus dieser an die entsprechenden Balancen des
Landkastens gezahlt werden. Die Steuererhöhungs-Kasse endlich ist nach Artikel IX der
Vereinbarung durch eine Renterei-Rente für den Ausfall entschädigt, den sie am (.g.
fünften Pfennig durch die theilweise Beseitigung der ordentlichen Kontribution erleidet.
Seit dem Jahre 1870 ist eine Aenderung des Finanzwesens bereits nach zwei Rich-
tungen in größerem Maße wieder erfolgt. Zunächst wurde eine solche veranlaßt durch
den in Folge der Reichs-Justizgesetzgebung eingetretenen Uebergang der gesammten streitigen
Gerichtsbarkeit auf den Landesherrn und die daraus folgende Uebertragung der Juris-
diktionskosten auf das Landesregiment. Von den zur Aufbringung der Juris=
diktions-Anlagen bestehenden Sozietäten fielen diejenigen, welche die Justizkanzleien und
das Kriminal-Kollegium betrafen, mit diesen Instituten von selbst weg. Dagegen einigte
man sich 1879 provisorisch dahin, daß die das Oberappellationsgericht betreffende Sozietät
auf das Oberlandesgericht übergehen und ebenso wie die auf das Landarbeitshaus be-
zügliche einstweilen unverändert bei Bestand bleiben sollte). Bezüglich aller übrigen
Kosten der Organisation und Verwaltung der Justiz aber wurde auf das alte Prinzip
der landesherrlichen Kostenpflicht rekurrirt und dem Landesherrn nur ein Aversum zu-
gebilligt.
Die zweite Veränderung ist herbeigeführt durch die in Folge der Reichsgesetze vom
15. Juli 1879 und 1. Juli 1881 beliebte Ueberweisung der Ueberschüsse aus den
neuen Reichs-Steuern, Zöllen und Stempelabgaben an die Einzel-
staaten. Die Zahlung der auf Mecklenburg-Schwerin entfallenden Beträge erfolgt als
Rückzahlung auf die von der Landesherrschaft gezahlten Matrikularbeiträge zunächst an
die Renterei. Da aber diese durch die Rente aus der Landes-Rezeptur-Kasse für die
Uebernahme der Matrikularbeiträge bereits entschädigt ist, so werden die Reichs-Ueber-
schüsse unter Einbehaltung des für die Justizverwaltung zu zahlenden Aversi von der
Renterei an die Landes-Rezeptur-Kasse gezahlt, bez. auf das von dieser an jene zu zahlende
Aversum bis zu dessen Erschöpfung verrechnet.
Als Ergebniß der historischen Entwicklung des Finanzwesens in Mecklenburg-Schwerin
ergibt sich demnach das Nebeneinanderbestehen von drei selbstständigen Faktoren, der Lan-
desherrschaft (Renterei), der Stände (Landkasten) und des Fiskus (Landes-Rezep-
tur-Kasse und Schuldentilgungs-Kasse), welche die Funktionen einer Staatskasse unter sich
theilen. Alle drei aber stehen völlig unabhängig neben einander, so daß zwischen ihnen
sowohl Rechtsgeschäfte als Prozesse möglich sind 7).
In Mecklenburg-Strelitz?) nahm die Entwicklung des Finanzwesens seit
1808 zwar einen selbstständigen Gang, allein dieselbe hat sich vollständig in derselben Weise
vollzogen, wie in Mecklenburg-Schwerin.
Schon während der Kriegsjahre im Anfange dieses Jahrhunderts hatte man auch
in Mecklenburg-Strelitz zur Abwendung einzelner Nothfälle mit der Erhebung einer auf
die Steuerkraft der Landeseinwohner fundirten außerordentlichen Kontribution vorgehen
stehen zuverlässige Angaben nicht zu Gebote; jedenfalls übersteigt derselbe den Etat der Landes-
Rezeptur-Kasse bei weitem.
1) Landrecht III. S. 56.
2) Landrecht III. S. 62 f.
3) Vgal. v. Dittmar, Sammlung von Gesetzen und Urkunden, welche auf das Mecklen-
burgische Staatsrecht Bezug haben, Band 2. S. 113 ff. sub XII.