Full text: Handbuch des öffentlichen Rechts. Band III.2.1. Das Staatsrecht von: Mecklenburg-Schwerin, Mecklenburg-Strelitz, Oldenburg, Braunschweig, Anhalt, Waldeck, Schaumburg-Lippe, Lippe. (5)

8 25. Das Landesregiment. V. Die Kirchengewalt. 65 
Gebiet aber sind gegenwärtig die Wirkungen der Zugehörigkeit zur Landeskirche durch, das cit. 
R.G. in der That beschränkt. Ueber das landesherrliche jus reformandi s. unten S. 66. Außer— 
dem waren früher eine Reihe öffentlicher Aemter den Angehörigen der Landeskirche allein zugäng— 
lich. Namentlich mußten nach den Reversalen von 1621 der Landeskirche angehören sämmtliche Pro— 
fessoren und Lehrer, sowie die Mitglieder des Hofgerichtes; später auch die Mitglieder der Justiz— 
kanzleien, während beim Oberappellationsgerichte christlicher Glaube genügte. (Trotsche, Meckl. 
Civilprozeß I. S. 171.) Die Unfähigkeit der Juden zu den meisten öffentlichen Aemtern z. B. 
zun, Richteramte, folgte schon aus ihrer Stellung als Schutzjuden. Ueber die ständischen Beamten 
. oben S. 63. 
Die Stellung der Landesherren zur Landeskirche hat sich auf wesentlich territorialistischer 
Grundlage entwickelt. Außer der eigentlichen Kirchenhoheit (jura eirca sacra) steht 
ihnen auch das Kirchenregiment im engeren Sinne (jura in sacra) zu. Auch letz- 
teres bildet einen integrirenden Bestandtheil der Staatsgewalt selbst, und daraus ergibt 
sich namentlich als Folge, daß die Ausübung des Kirchenregimentes durch die Zugehörigkeit 
des Landesherrn zur Landeskirche nicht bedingt wird 0. Aus der territorialistischen Ent- 
wicklung der kirchlichen Verhältnisse erklärt es sich auch, daß für die kirchliche Gesetzgebung 
besondere Grundsätze nicht gelten, vielmehr bei ihr die Konkurrenz der Stände ganz im 
gewöhnlichen Umfange stattfindet, ohne Unterschied, ob die Erlassung eines auf die Kirchen- 
hoheit oder auf das Kirchenregiment zurückzuführenden Gesetzes zur Frage steht, während 
andererseits eine Theilnahme kirchlicher Elemente an der Gesetzgebung nicht stattfindet. 
Soweit daher die kirchlichen Verhältnisse des Landes in ihrem Bestande den Ständen 
gegenüber landesgrundgesetzlich fixirt sind, bedarf jede Aenderung derselben des ständischen 
Konsenses. Dies gilt nach § 483 L. G. G. E.V. insbesondere von den kirchlichen Grund- 
gesetzen, der Kirchenordnung von 1602 (wiederholt publizirt 1650), der Konsi= 
storialordnung von 1570 und der Superintendentenordnung von 1571, 
so daß auch die in diesen Gesetzen normirten rein internen kirchlichen Einrichtungen, wie 
namentlich das Ritual, nur mit Einwilligung der Stände abgeändert werden können?),. 
Die gesammte kirchliche Gesetzgebung ist, soweit die Stände an derselben Antheil haben, 
durch L.G.G. E.V. § 510 ausschließlich den allgemeinen Landtagen vorbehalten. In den 
beiden Seestädten Rostock und Wismar stehen Kirchenhoheit und Kirchenregiment der 
schweriner Landesherrschaft und zwar ausschließlich zu, doch ist beiden Städten landes- 
herrlicherseits die Unabänderlichkeit der lutherischen Kirchenverfassung ebenfalls garantirt ?). 
Mit der dadurch gegebenen Beschränkung wird die kirchliche Gesetzgebung daselbst ebenfalls 
von dem Landesherrn ausschließlich geübt, nur erfolgt die Publikation kirchlicher Verord- 
nungen in Rostock nicht direkt, sondern durch Vermittlung des geistlichen Ministeriums). 
Die Ausübung der Kirchenhoheit und des Kirchenregimentes gebührt nach dem 
Hamburger Vergleiche von 1701 jedem der beiden Landesherrn in seinem Lande allein, 
nur sollte nach diesem Vergleiche das Konsistorium in Rostock, welches außer 
seinen Funktionen als Kirchengericht auch sehr weitgehende weltliche Jurisdiktionsbefug- 
nisse, namentlich in Ehe= und Unzuchts-Sachen, übte, beiden Ländern gemeinsam bleiben. 
Indeß hat sich später ein zweites Konsistorium in Neustrelitz gebildet, welches 
ursprünglich auf Justiz= und Privatprozeß-Sachen beschränkt bleiben sollte ), gegenwärtig 
aber auch als Kirchengericht für Mecklenburg-Strelitz fungirt?). Zu demselben ressortirt 
1) Mejer § 69, Note 38. Hagemeister § 171, 172 Note 5. Z 
2) So ist 4 B. die Neuordnung der kirchlichen Tauf= und Trau-Formulare im Jahre 1867 
dem ständischen Konsense unterbreitet. 
3) Rostocker Erbvertrag von 1788 § 55 ff. Konvention des Landesherrn mit der Stadt 
Wismar vom 10. März 1829 (Raabe IV. S. 1 ff.) § 20. 
4) Rostocker Erbvertrag von 1788 " 64, 76, 79. Wism. Konvention von 1829 § 11, 12. 
5) Erläuterungsvertrag von 1755 F 18. 
6) S. darüber Mejer, Kirchenzucht und Konsistorial-Kompetenz nach Meckl. Rechte 1854, 
S. 178 f. vgl. v. Amsberg S. 718. 
Handbuch des Oeffentlichen Rechts. III. 2. 1. 5
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.