66 Büsing, Das Staatsrecht der Großherzogthümer Mecklenburg. 8 25.
seit 1842 auch das Fürstenthum Ratzeburg. Die früher bestehenden städtischen Kon-
sistorien in Rostock und Wismar sind aufgehoben und in dem landesherrlichen
Konsistorium zu Rostock aufgegangen, doch bilden die Prediger der Seestädte als geist-
liche Ministerien besondere Kollegien unter dem Vorsitze eines director ministerii,
als welcher der städtische Superintendent oder im Falle der Vakanz oder Behinderung der
älteste Prediger fungirt, und üben als solche einzelne konsistoriale Befugnisse 7.
Endlich ist im Jahre 1818 das bis dahin für das Fürstenthum Schwerin bestehende,
mit der Justizkanzlei in Schwerin verbundene besondere Stifts-Konsistorium
aufgehoben und auch dessen Kompetenz auf das Konsistorium zu Rostock übergegangen 2).
Eine Trennung der den Landesherren als Inhabern der Kirchenhoheit zustehenden
Funktionen von denjenigen, welche sie als Träger des Kirchenregimentes übten, bestand
früher nicht. Erst die Bewegung des Jahres 1848, welche die vollständige Trennung von
Staat und Kirche anzubahnen schien, hat eine solche, wiewohl nicht ohne ständischen Wider-
spruch, herbeigeführt. Indem die Landesherren das Kirchenregiment unter den Gesichts-
punkt eines von der Landesherrschaft verschiedenen besonderen oberbischöflichen Amtes
stellten, wurden in beiden Ländern besondere Organe dieses Amtes geschaffen, welche un-
abhängig von den staatlichen Behörden direkt unter den Landesherren selbst stehen. In
Mecklenburg-Schwerin wurde zu diesem Zwecke eine eigene Behörde, zunächst provisorisch
als Kirchen-Kommission, dann definitiv als Oberkirchenrath ins Leben
gerufen ?); in Mecklenburg-Strelitz dagegen wurde dem Konsistorium zu Neu-
strelitz die Ausübung der landesherrlichen Episkopalrechte übertragen ). So wenig
aber durch diese Verwaltungs-Maßregeln die historisch auf territorialistischer Basis be-
ruhende Stellung der Landesherrn ihre innere Natur ändern und wirklichen bischöflichen
Charakter im Sinne des Episkopal-Systems annehmen konnte, so wenig hat die Schaffung
besonderer Behörden eine erhöhte innere Selbstständigkeit der Landes-Kirchen herbeigeführt;
denn die Mitglieder dieser Behörden sind landesherrliche Diener, welche von den Landes-
herren frei ernannt werden und bezüglich ihrer disziplinaren Verhältnisse den übrigen
Verwaltungsbeamten gleichstehen. (s. oben § 24.)
Die Kirchenhoheit wird in Mecklenburg-Schwerin durch die mit
dem Justizministerium verbundene Abtheilung für geistliche Angelegenheiten, in Mecklen-
burg-Strelitz durch die Landesregierung geübt. Sie umfaßt die Ausübung der
landesherrlichen Hoheitsrechte in Bezug auf die lutherische Landeskirche und auf die Katho-
liken und Reformirten, die Oberaufsicht über die Aufrechterhaltung der kirchlichen
Ordnung durch die weltlichen Behörden, insbesondere auch in polizeilicher Beziehung, die
religiösen und Gemeindeverhältnisse der Juden und die Oberaussicht über die nicht kirch-
lichen Stiftungen und Anstalten zu frommen und milden Zwecken. Weiter steht den
Landesherren, und zwar der schweriner Landesherrschaft auch für die Seestädte, das
gesammte Dispensationswesen, insbesondere auf dem Gebiete des Eherechtes, zu,
wohin namentlich auch das landesherrliche Recht der Ehescheidung aus landesherrlicher
Machtvollkommenheit zu rechnen ist, welche jedoch nur auf Antrag beider Theile und bei
nachgewiesener Vermögens-Auseinandersetzung gewährt wird. Außerdem würde an sich
das landesherrliche jus rekormandi hierher gehören?). Seit dem Freizügigkeitsgesetze
vom 1. November 1867 und dem Reichsgesetze vom 3. Juli 1869, betr. die Gleichberech-
1) S. S. 65 Note 4.
2) Publikations-V.O. zur O. A.G.-Ordnung vom 1. Juli 1818 §; 14.
3) Reskr. vom 14. Dezember 1848. Raabe IV. S. 6. V.O. vom 19. Dezember 1849.
Raabe V. S. 1072.
4) V.O. vom 16. Dezember 1848 und 31. Oktober 1868.
5) vgl. Buchka u. Budde, Entsch, des O. A.G. zu Nostock I. S. 214 ff.