68 Büsing, Das Staatsrecht der Großherzogthümer Mecklenburg. 8 25.
diesem Zwecke Kirchensekretäre zur Seite stehen. Als Verwaltungsorgane bestehen in den
Städten eigene Beamte (Kirchenökonomen, Provisoren), in Rostock ein Kirchenökonomie—
Kollegium unter Leitung landesherrlicher und räthlicher Provisoren, in Wismar ein
Hebungs-Departement. Bei den Landkirchen führt der Prediger unter Aufsicht des Pa—
trons die Verwaltung, wobei dem Patrone die gemeinrechtlichen Befugnisse zustehen 1). Im
Domanium fungiren neben den Predigern Kirchenjuraten, die aus der Gemeinde auf
Vorschlag der Domanial-Aemter vom Prediger gewählt und vom Superintendenten be-
stätigt werden.
Allgemeine Kirchen-Visitationen sind nur in der Reformationszeit (1534,
1540—42, 1571) erfolgt. Seitdem haben sich die Visitationen auf einzelne Superinten-
dentur-Sprengel beschränkt, sind aber auch in dieser Ausdehnung nicht mehr üblich. Visi-
tationen des ganzen Landes oder ganzer Superintendenturen unterliegen der Theilnahme
der Stände, welche jedoch nicht durch ständische Deputirte, sondern durch oberbischöfliche
Vertrauenspersonen aus der Mitte der Stände geübt wird ). Ueber die Kirchen-Visi-
tationen in Rostock und Wismar bestehen besondere Bestimmungen ?). Die Berichter-
stattungspflicht der Geistlichen ist gesetzlich nach verschiedenen Richtungen hin
geregelt. Zunächst haben die Superintendenten Lehre und Wandel der Geistlichen ihres
Sprengels zu überwachen und darüber alljährlich an ihre vorgesetzte Behörde zu berichten,
während sie vierteljährlich einen gleichen Bericht an die Konsistorien einsenden sollen.
Außerdem hat jeder Geistliche zu den Synoden einen schriftlichen Bericht über das kirch-
liche Leben in seiner Gemeinde mitzubringen und dem Präpositus einzuhändigen, welcher
ihn dem Superintendenten zuschickt, von welchem er nach genommener Kenntniß an den
Oberkirchenrath in Schwerin bez. das Konsistorium in Neustrelitz eingesendet wird?).
Die kirchliche Gerichtsbarkeit!') der Konsistorien beschränkt sich
auf ein kirchengerichtliches Einschreiten gegen evangelisch-lutherische Kirchendiener in Dis-
ziplinar-, Ceremonial= und Doktrinal-Sachen, d. h. in Angelegenheiten, welche die Lehre
und das Leben der lutherischen Geistlichen und unteren Kirchendiener betreffen. Die den
Konsistorien früher zustehende allgemeine Personal-Kompetenz über die Geistlichen sowohl,
wie eine weitgehende Real-Kompetenz über Laien ist denselben im Laufe des vorigen
Jahrhunderts bereits entzogen?), und es würden seitdem die Konsistorien Laien gegenüber
1) Rev. Kirchenordnung Fol. 135. L.G.G.E.V. § 487—489. Siggelkow, Titel 3.
Landrecht III. S. 72.
2) Rostocker Erbvertrag von 1788 § 85. vgl. E.V. von 1584 § 11. Wismarsche Konvention
von 1829 §. 27.
3) Siggelkow § 134. V.O. vom 16. Februar 1784, erneuert durch V.O. v. 27. April
1795, V.O. vom 29. Januar 1795. vgl. die oben (S. 67 Note 4) zitirten Synodalordnungen.
4) Vgl. Mejer, Kirchenzucht und Lonsistorial-Kompetenz nach mecklenburgischem Recht.
5) V.O. vom 30. November 1756, Reskr. vom 24. Juli 1758, vom 15. April 1773, V.O.
vom 20. Juni 1776 und Deklarator-V. O. vom 8. Januar 1777. Ugl. über das sehr komplizirte
Verhältniß dieser Verordnungen zu einander Mejer a. a. O. S. 102 ff. Die letztzitirte V.O.
weist dem Konsistorium zu Rostock — welchem damals in thesi allein Kirchengerichtsbarkeit zustand,
s. oben S. 65, Note 6 — neben seiner Kompetenz über Lehre und Lebenswandel der Geistlichen auch
die Pflicht zu, alle grobe Skandale und ärgerliche Ausbrüche der Laster, alle grobe Frreligiosität
und strafbare Verachtung der Gnadenmittel und überhaupt alles, was gegen das in der Kirchen-
ordnung in geistlichen und kirchlichen Sachen Festgesetzte ist, „strikte zu rügen". Die Bedeutung
dieses Rügerechtes ist nie klar gestellt. Eine Anfrage des Konsistoriums wurde am 1. Februar
1827 durch Regierungs-Reskript dahin beantwortet, das Konsistorium habe die Sache qua factum
vollständig zu instruiren, demnächst aber die Akten zum Zwecke weiterer vorbehaltener Kognoszirung
und Abfassung des Definitiv-Erkenntnisses an die Regierung einzusenden, deren sämmtliche
gerichtliche Funktionen jedoch demnächst mit dem 1. Oktober 1818 auf die Justizkanzleien überge-
gangen sind. Weil sich dieses Reskript nur auf einen bestimmten Fall bezog, so ist die allgemeine
Geltung desselben bezweifelt und von Anderen die Ansicht vertreten, daß die Rüge nur als eine
Denunziation an die Landesgerichte aufzufassen sei. Da es sich bei diesem Rügerechte um welt-
liche Strafen handelt, so unterliegt es keinem Zweifel, daß h. z. T. das Konsistorium auf Denun-
ziation beschränkt ist, während die Entscheidung zur Kompetenz der ordentlichen Gerichte steht.