82 Becker, Das Staatsrecht des Großherzogthums Oldenburg. § 5. 6.
Lehnsverband, Familienfideicommisse, d. i. Fideicommisse, welche nicht bloß eine
einmalige Substitution enthalten, und Stammgüter sind aufgehoben. Jeder Grundbesitzer
kann jedoch seinen Grundbesitz oder Theile desselben durch bloße Erklärung vor dem
Amte zu einer Grunderbstelle machen mit der Wirkung, daß diese Stelle einem seiner
Intestaterben erster oder zweiter Klasse als Eigenthum zufällt mit einem Voraus bei der
Erbtheilung, welches in den meisten Marschdistrikten 15 Procent, in den übrigen Landes-
theilen des Herzogthums 40 Procent des schuldenfreien Werthes der Stelle beträgt. Die
Stelle behält diesen Charakter einer Grunderbstelle so lange, bis irgend ein Besitzer der-
selben eine widerrufende Erklärung abgibt.
Alle Beschränkungen des öffentlichen Rechts hinsichtlich der Theilbarkeit des Grund-
eigenthums sind aufgehoben; nur bezüglich der aus unkultivirten Staatsgründen mit einer
zehnjährigen Steuerbefreiung eingewiesenen sog. „Anbauerstellen“ ist während der ersten
30 Jahre nach erfolgter Einweisung oberliche Genehmigung zur Theilung oder Abtren-
nung von Parzellen erforderlich. Privatholzungen unterliegen seit Erlaß des St.G.G.
keiner staatlichen Aufsicht mehr; bei Gemeindeholzungen bedarf die unforstmäßige Ab-
holzung größerer Forsten einer staatlichen Genehmigung.
Die Grundsätze für Expropriationen sind gesetzlich normirt bei Deich-, Siel-, Wege-
und Eisenbahnanlagen, mit einzelnen durch den Zweck der Enteignung gebotenen Verschie-
denheiten (Ges. v. 1855, 1861 und 1867).
Vermessung und Katastrirung des Landes sind beendet. — Die Preußischen Gesetze
von 1872 über den Erwerb und die Belastung des Grundeigenthums nebst Grundbuch-
ordnung haben Oldenburgischen Gesetzen zum Vorbild gedient, doch kann ihr neues Recht
erst dann in volle Wirksamkeit treten, wenn das schwierige Werk einer Ermittelung des
Eigenthumstitels und der dinglichen Belastung für sämmtliche Grundstücke vollendet ist.
Alle Freiheiten und Begünstigungen im Beitrage zu den Staats= und Gemeinde-
lasten sind aufsgehoben und können weder verliehen noch irgendwie erworben werden.
Eine Verpflichtung aller Staatsbürger auf Beobachtung der Verfassung kennt das
Oldenburgische Recht nicht. Für Staatsdiener, Beamte der Gemeindeverwaltung, Land-
tags-Abgeordnete ist diese Verpflichtung in den allgemeinen Eid der Treue aufsgenommen.
§ 6. Staatsdienst und Behördenorganismus. I. Im Allgemeinen. Ein revidirtes
Staatsdienergesetz von 1867 regelt ausführlich die Verhältnisse aller im Civilstaatsdienste
Angestellten, insbesondere:
ihre Anstellungsfähigkeit, ihre Anstellung, die für alle Dienststellen, welche eine
wissenschaftliche oder dieser gleich zu achtende technische Ausbildung erfordern, nach Ab-
lauf von regelmäßig 3 Jahren, für andere nach regelmäßig 18 Jahren erprobter Dienst-
zeit unwiderruflich werden soll;
ihr Diensteinkommen, die Zulässigkeit von Nebengeschäften und die Beziehungen zu
fremden Staaten: „Kein Civilstaatsdiener darf ohne Erlaubniß des Großherzogs Aufträge,
Gehaltsbezüge oder Remunerationen von andern Regenten oder Regierungen annehmen“:
ihre Pflichten und ihre Verantwortlichkeit: „Jeder Civilstaatsdiener ist für die Ge-
setzmäßigkeit seiner amtlichen Handlungen verantwortlich; hat jedoch derselbe nach Anord-
nung eines Vorgesetzten gehandelt, welche innerhalb des Kreises der amtlichen Zuständig-
keit des letztern und in gesetzlicher Form erlassen war, so trifft die civilrechtliche und
dienstliche Verantwortlichkeit dafür den Anordnenden allein;
ferner die Disciplinargewalt, Versetzung an andere Stelle, Stellung zur Disposition,
Versetzung in den Ruhestand, Suspension vom Dienste und Austritt aus demselben.
Eine allgemeine Bestimmung über die Haftpflicht des Staates für die Versehen
seiner Beamten kennt das besondere Oldenburgische Staatsrecht nicht. Einzelne Gesetze
enthalten jedoch in Betreff besonderer Anstalten zur Förderung des Wohles von Privat-