86 Becker, Das Staatsrecht des Großherzogthums Oldenburg. 86. 7.
cirenden Eeetz vom August 1861 beibehalten, ebenso die wirthschaftlich noch bedenklichere Be-
stimmung, daß die Entschädigungsgelder zur Wiederherstellung auf demselben Platze innerhalb
5 Jahre verwandt werden müssen, wenn nicht eine besonders ertheilte obrigkeitliche Erlaubniß
hiervon dispensirt. Eine zweite Immobiliarbrandversicherungs-Anstalt für Jever kennt keinen
Zwang zur Theilnahme, und hinsichtlich der Mobiliarversicherung ist der Privatthätigkeit im
ganzen Herzogthum freie Hand gelassen; nur ist Doppelversicherung verboten und muß für jede
einzelne Versicherung aus sicherheitspolizeilichem Interesse die Erlaubniß der Polizei eingeholt
werden.
Zur Ausführung der Deutschen Seemanns-Ordnung sind drei Seemanns-Aemter
für die Distrikte der Weser, Jade und Ems errichtet.
Strand-Aemter im Sinne der §§ 1 und 2 der Deutschen Strandungs-Ordnung sind
die vier Verwaltungsämter, in deren Bezirken Strandungen vorkommen können.
Zur Untersuchung der Seeunfälle nach Maßgabe des Reichsgesetzes vom 27. Juli
1877 ist ein Seeamt in Brake errichtet.
In der Militärconvention mit Preußen vom 15. Juli 1867 hat Olden-
burg von der Stellung eines selbständigen Kontingentes und folgeweise einer eigenen
Militärverwaltung abgesehen.
Die Oldenburgischen Truppen sind in die preußische Armee eingereiht, doch erhalten die
Wehrpflichtigen des Herzogthums innerhalb der Grenzen desselben ihre ständige Garnison. Die
Rechtsverhältnisse der hier garnisonirenden Truppen sind besonders geordnet. Der Großherzog
steht zu ihnen in dem Verhältnisse eines commandirenden Generals, und verfügt über dieselben
zum Zweck des innern Dienstes.
Die Aushebung erfolgt preußischerseits unter Mitwirkung der oldenburgischen Civilbehörden.
— Zum Freiwilligendienst Berechtigte werden gegenseitig zugelassen, die oldenburgischen einjährig
Freiwilligen in Oldenburg ohne Beschränkung. —
Alle Militairs haben den Behufs Erhaltung der öffentlichen Ordnung ergehenden Weisungen
der Polizeibeamten Folge zu leisten.
Auch bei Störungen der öffentlichen Ruhe soll ein selbständiges militairisches Einschreiten
ohne vorherige Requisition der zuständigen Civilbehörde nicht statthaft sein. — Das Begnadi-
gungsrecht von den Militairgerichten verurtheilter Personen steht dem Könige von Preußen zu;
dieser überläßt dieselbe jedoch in Fällen der Verurtheilung oldenburgischer Staatsangehöriger
wegen nicht militairischer Vergehen dem Großherzoge.
8 7. Die Gemeindeverfassung. Die Organisation der politischen Gemeinden
ist durch besondere Gesetze für die 3 Provinzen geregelt, für das Herzogthum durch die re-
vidirte Gemeindeordnung vom 15. April 1873. Verschiedenheiten derselben beruhen auf der
Berücksichtigung lokaler Zustände, für Birkenfeld z. B. auf dem viel kleineren Umfang der
Einzelgemeinden. Im Herzogthum fallen die Gemeindebezirke im Wesentlichen mit den
alten Kirchspiel-Bezirken zusammen; es sind 116, durchschnittlich eine Fläche von 0,8
metrischer Quadratmeile einnehmend.
Die Revision war bestrebt, an Stelle einer freieren, von der eigenen Verantwort-
lichkeit der Vertreter getragenen, aus diesem Grund freilich mannigfaltiger gestalteten Be-
handlung der Gemeindeangelegenheiten durch gesetzliche Beschränkung und staatliche Ober-
aufsicht größere Gleichförmigkeit und Centralisation herbeizuführen.
Die Gemeinden werden durch einen Gemeinderath vertreten und durch einen Ge-
meindevorstand verwaltet. Letzterer ist die nächste Obrigkeit im Gemeindebezirk, und zu-
gleich das Organ der Staatsbehörde in Landesangelegenheiten, insbesondere für die ört-
liche Polizeiverwaltung.
Die Mitglieder des Gemeinderaths werden von allen selbständigen Gemeindebürgern auf 4 Jahre,
so daß alle 2 Jahre die Hälfte ausscheidet, frei gewählt, doch müssen zwei Drittheile mit einem im
Gemeindebezirk belegenen Grundbesitz — soweit nicht auf statutarischem Wege Aenderungen zu-
gelassen werden — zu mindestens 15 Mark Grund= und Gebäudesteuer oder mindestens 6 Mark
Gebäudesteuer angesetzt sein. — Die Sitzungen des Gemeinderaths sind öffentlich.
Die Mitglieder des Gemeindevorstandes werden vom Gemeinderath auf 8 Jahre gewählt,
sein Vorsteher bedarf jedoch der staatlichen Bestätigung, die unter Angabe von Gründen versagt
werden kann. In den Städten heißt der Vorsteher Bürgermeister und wird in den Städten
I. Classe, welche unmittelbar unter dem Staatsministerium stehen, während die Städte II. Classe
gleich den übrigen Gemeinden unter den Verwaltungsämtern stehen, auf Lebenszeit gewählt.