92 Sonnenkalb, Das Staatsrecht des Herzogthums Sachsen-Altenburg. 87.
Das Recht, gewählt zu werden, ist an dieselben Voraussetzungen geknüpft wie das
Wahlrecht. Nur fallen die Erfordernisse eines festen Wohnsitzes von mindestens 6 Mo—
naten in einem Wahlbezirke und der Nichtresthängigkeit der Steuern weg, wogegen eine
mindestens dreijährige Staatsangehörigkeit verlangt wird.
Die Mitglieder des Ministeriums sind nicht wählbar. Auch können Vater und Sohn
nicht zugleich Abgeordnete sein. Im Mangel einer Vereinigung geht der Vater vor.
Falls der Vater oder der Sohn eines Mitglieds des Landtags nachgewählt worden, ist
die Wahl ungültig.
Die Wahlen werden durch Regierungskommissare geleitet, welche die Stimmbezirke
festsetzen.
Die Ausübung des Stimmrechts hat in Person durch Ausfüllung des Namens des
Gewählten auf einem dem Wähler zugestellten numerirten Stimmzettel und Rückgabe
desselben an den Vorsitzenden zu geschehen. Schreibunkundige können ihre Stimmen durch
den Protokollanten einzeichnen lassen.
Zur Wahlhandlung sind vom Wahlkommissare 2 Beistände zuzuziehen.
Die Wahlen erfolgen nach relativer Stimmenmehrheit. Bei Stimmengleichheit ent-
scheidet das höhere Lebensalter, eventuell das Loos.
Eine Wahl von Stellvertretern findet nicht statt. (Ges. v. 22. Okt. 1873.)
Die Wahl geschieht auf 3 Kalenderjahre (Ges. v. 2. Mai 1873).
Die Eigenschaft als landschaftliches Mitglied geht verloren durch freiwillige Nieder-
legung der Mitgliedschaft, welche indeß, falls dem Gewählten nicht die gesetzlich gestatteten
Ablehnungsgründe (vor der Wahl erfülltes 65. Lebensjahr, Krankheit u. s. w.) zur Seite
stehen, den Verlust der aktiven und passiven Wahlfähigkeit auf 2— 10 Jahre zur Folge
hat, und durch Verlust der zur Wählbarkeit erforderlichen Eigenschaften.
Für alle Mitglieder des Abgeordnetenhauses geht die Eigenschaft mit dem Tage des
Ablaufs der Legislaturperiode sowie mit der Auflösung des Landtags verloren. (Ges. vom
31. Mai 1870.)
III. Befugnisse. a. politische Befugnisse. Die wesentlichen politischen Befug-
nisse des Landtags bestehen in
1. in Bezug auf die Gesetzgebung in dem Rechte des Beiraths und der Zustimmung
zu allen solchen Gesetzen, welche die Freiheit der Person oder das Eigenthum aller Staats-
angehörigen, ingleichen die Grundverfassung und Militäraushebung betreffen, so daß ohne
Mitwirkung und Zustimmung des Landtages weder neue Gesetze erlassen, noch bestehende
abgeändert oder aufgehoben werden können, soweit nicht diese Befugnisse auf die Reichs-
gewalt übergegangen sind.
Bei anderen allgemeinen Gesetzen steht dem Landtage nur ein Begutachtungs-
recht zu.
In Bezug auf Verbesserung der Gesetzgebung hat er das sogenannte ständische Pe-
titionsrecht, indeß ohne Berechtigung, förmlich formulirte Gesetzentwürfe in Vorschlag zu
bringen (Grundgesetz § 201, 210, 214).
2. Die Landschaft hat bei der Ausübung der Finanzgewalt für Feststellung des Fi-
nanzetats auf die Dauer der Finanzperiode mitzuwirken und ein Steuerbewilligungsrecht
mit der Beschränkung auszuüben, daß sie die Verwilligung der zur anständigen Aufbrin-
gung der Ausgabesätze nöthigen Mittel nicht verweigern darf. Ohne landschaftliche Zu-
stimmung kann kein Kapitel der laufenden Verwaltung (sofern nicht der bestimmt bezeich-
nende Gegenstand oder Zweck der Verwilligung weggefallen ist) dauernd erhöht, anderer
Seits ohne Zustimmung der Staatsregierung nicht dauernd erniedrigt werden.
Bei Vorlage des neuen Etats ist der Landschaft der Rechenschaftsbericht über die
Verwendung der Staatsgelder auf die abgelaufene Periode zur Prüfung vorzulegen. Sie