96 Son nenkalb, Das Staatsrecht des Herzogthums Sachsen-Altenburg. 8 9.
landschaftlicher Zustimmung. Ebenso können bestehende Gesetze ohne gleiche Zustimmung
nicht abgeändert oder aufgehoben werden. Diesen Gesetzen sind ohne Rücksicht auf ihren
Inhalt Gesetze, welche die Grundverfassung und die Militäraushebung betreffen, gleich—
gestellt. Andere Gesetze mit allgemeinen Rechtsvorschriften sind lediglich der Begutachtung
des Landtags zu unterstellen, ohne daß der Landesherr an den Inhalt der letzteren für
den Erlaß der Gesetze gebunden ist.
Das Recht der Initiative, der Vorlage eines geförmelten Gesetzentwurfs, steht dem
Landtage nicht zu.
Ueber die Behandlung der Gesetzesvorlagen im Landtage (Kommissions-Berathung,
Berichtsdruck, namentliche Abstimmung) ist bereits beim Landtage Erwähnung gethan.
Eine erschwerende Form für Gesetze über Verfassungsänderungen besteht nicht.
Die Publikation der Gesetze, welche nur von dem Herzoge oder mit seiner Zustim—
mung und in seinem Namen geschieht (Grundges. 8 5), erfolgt durch die Gesetzsammlung,
welche in Verbindung mit dem Amtsblatte erscheint.
Im Mangel anderweiter Bestimmung im Gesetze selbst tritt es sofort nach Publi-
kation in Kraft.
Das an keine ständische Mitwirkung gebundene Verordnungsrecht hat es in der
Hauptsache mit der reglementären Ausführung bestehender Gesetze und als Ausfluß des
Oberaufsichts= und Verwaltungsrechts mit der Ertheilung von Verwaltungsvorschriften zu
thun. Auch polizeiliche Anordnungen fallen in sein Gebiet, soweit sie nicht die Freiheit
der Person oder das Eigenthum aller Unterthanen berühren.
Vorschriften zur Sicherheit des Staats werden den Verordnungen gleichgestellt.
Verordnungen unterliegen der Prüfung und Beschlußfassung des Gesammtministeriums
und bedürfen der landesherrlichen Genehmigung.
Ueber das Dispensationsrecht enthält die Verfassung keine näheren Bestimmungen.
Es ist daher nach allgemeinen staatsrechtlichen Grundsätzen zu beurtheilen, soweit nicht
Spezialgesetze Bestimmungen für einzelne Fälle enthalten. (cf. Reichsges. v. 6. Febr. 1875
§ 40 Ges. v. 8. Oktbr. 1861 § 27.)
Das Suspensionsrecht in Bezug auf Gesetze ist nicht besonders erwähnt. Indeß
liegt es in der unbeschränkten Berechtigung zum Erlasse von Verordnungen zur Sicherheit
des Staats.
§ 9. Die Justiz. Dem Reiche steht verfassungsmäßig der wesentliche Theil der
Justizhoheit, die Gesetzgebung über das Strafrecht und das gerichtliche Verfahren, zu und
sind demgemäß durch die Reichsgesetzgebung die Arten der Gerichte, welche die bürgerlichen
Rechtsstreitigkeiten und die Strafsachen nach den in den Prozeßordnungen aufgestellten
prozessualischen Regeln zu entscheiden haben, festgestellt worden. Den bürgerlichen Rechts-
streitigkeiten gegenüber stehen die Verwaltungssachen.
Welche Streitigkeiten aber zu den bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten gehören, und
welche im Wege der Verwaltung zu erledigen sind, ist aus der Landesgesetzgebung zu
entnehmen.
Die Gesetzgebung des Herzogthums Sachsen-Altenburg hat nicht überall die Grenze
zwischen Justiz und Verwaltung scharf gezogen. Sie geht, ohne eine Legaldefinition zu
geben, im Allgemeinen von dem staatsrechtlichen Grundsatze aus, daß die Gerichte über
die Ausübung staatlicher Hoheitsrechte, wo solche als prinzipale Streitfragen erscheinen
und nicht in sekundärer Eigenschaft auf die Beantwortung einer Privatrechtsfrage in-
fluiren, sowohl zwischen den einzelnen Staatsangehörigen gegenüber dem Staate, als ein-
zelnen Staatsangehörigen als Parteien nicht zu entscheiden haben. Wo die Verwaltung
durch Gesetz die Ordnung von Rechtsverhältnissen öffentlicher Art oder in Beziehung zum
öffentlichen Rechte stehende Rechtsverhältnisse ihrem Gebiete vorbehalten hat, ohne für