§ 9. Die Justiz. 97
bestimmte Fälle den Rechtsweg offen zu lassen (ek. Bergges. v. 18. April 1872), ist auch
die endgiltige Entscheidung der Rechtsfrage ausschließlich der Verwaltung in den Formen
ihres Verfahrens, nach ihren Grundsätzen und in ihrem Instanzenzuge zugewiesen. Sie
stellt hiernach den Begriff der Justizsachen mehr negativ fest, indem sie den Rechtsweg aus-
drücklich ausschließt gegen die Verfügungen der Verwaltungsbehörden bei Ausübung der
staatlichen Hoheitsrechte, gegen alle behördlichen Verfügungen in nichtstreitigen Privatrechts-
verhältnissen, über öffentliche Rechts-, über Landes-Verwaltungs-, Steuer= und Polizei-
Verhältnisse und über die desfallsigen Berechtigungen und Verpflichtungen der Staatsan-
gehörigen, soweit er darauf gerichtet ist, eine erlassene Verfügung wieder aufzuheben oder
außer Wirksamkeit zu setzen. Sie gestattet nur eine Entschädigungsklage, um individuelle
Ansprüche auf Entschädigung bei ungerechtfertigtem Eingreifen der Behörden in das Ver-
mögen geltend zu machen. Diese Klage ist, wenn die vermeintlich rechtswidrige Verfügung
auf Antrag nicht zurückgenommen oder der erweisliche Schade nicht ersetzt wird, gegen
den Fiskus, vorbehältlich dessen Regreßansprüche, zu richten, wenn der Urheber der Rechts-
verletzung „innerhalb seiner amtlichen Befugniß“ die Verletzung bewirkte und die Oberbehörde
nicht alsbald auf Anrufen des Betheiligten das Ueberschreiten der Dienstbefugniß aner-
kannte. Wenn aber der Urheber der verletzenden Verfügung solche mit Ueberschreitung seiner
amtlichen Befugniß erließ und die Oberbehörde dies sofort ausspricht, ist die Entschädi-
gungsklage gegen den Beamten zu richten.
Damit sind natürlich die Fälle nicht erschöpft, wo der Staat für Verletzungen
seiner Beamten in Verhältnissen, wo die Staatsangehörigen ihm Vermögen und Ver-
mögensrechte anzuvertrauen genöthigt sind (Depositen-, Hypothekenwesen u. s. w.), zu
haften hat.
Auch läßt die Gesetzgebung in einer Mehrzahl von Fällen des Verwaltungsverfahrens
den Rechtsweg ausdrücklich zu, wenn der Betheiligte bei Streitigkeiten über öffentliche Ver-
hältnisse, namentlich über Benutzung des öffentlichen Wassers (Ges. vom 18. Oktbr. 1865)
sich auf einen besonderen Rechtstitel beruft oder wenn sie, wie im bergrechtlichen Entschä-
digungsverfahren, gegen die erstinstanzliche Entschädigungsfeststellung ein Verwaltungsrechts-
mittel ausschließt. (Bergges. v. 18. April 1872.)
Eine besondere Behörde für Entscheidung von Kompetenzkonflikten zwischen Gerichten
und Verwaltungsbehörden ist nicht eingesetzt worden, so daß die Gerichte selbst über die
Zulässigkeit des Rechtswegs zu entscheiden haben.
Die vor Inkrafttreten des Gerichtsverfassungsgesetzes den Gerichten zuständig ge-
wesene sogenannte freiwillige Gerichtsbarkeit und Justizverwaltung ist auch den neu con-
struirten Gerichten wieder übertragen worden, ebenso die Bestätigung aller Adoptionen
und Arrogationen nach vorheriger landesherrlicher Genehmigung sowie die Vorbereitung
der Gesuche um Volljährigkeitserklärung und Legitimation außerehelicher Kinder. (Gesetz
v. 22. März 1879.)
In Kraft der der Landesgesetzgebung zustehenden Ausführung der Reichsgesetzgebung
sind sechs Amtsgerichte und ein Landgericht gebildet worden. Das vormalige mit einer
Mehrzahl von Staaten gemeinsame Oberappellationsgericht in Jena ist laut Verträge vom
19. Februar 1877 und 23. April 1878 zum Oberlandesgericht für das Herzogthum, sowie
für Sachsen-Weimar, Sachsen-Meiningen, Sachsen-Koburg-Gotha, Schwarzburg-Rudol-
stadt, Reuß ältere und Reuß jüngere Linie und drei landräthliche Kreise des Königreichs
Preußen bestellt worden.
Gemeinde= und Gewerbegerichte sind nicht errichtet worden.
Als besondere Gerichte in beschränktem Umfange fungiren besondere Ablösungs= und
Zusammenlegungs-Behörden, welchen die Entscheidung von Rechtsstreitigkeiten, welche bei
Gelegenheit von Ablösung bestimmter dinglicher Gerechtsame oder bei Grundstückszusam-
Handbuch des Oeffentlichen Rechts. III. 2. II. 7