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Amtsgerichts, dem Oberstaatsanwalte und dem Ersten Staatsanwalte hinsichtlich der
Staatsanwaltschaften zu.
Die Geschäfisrevisionen der Justizbehörden erster Instanz mit Einschluß der Staats-
anwaltschaften sind durch besondere Ministerial-Verfügung vom 23. Februar 1881
geordnet.
Das Disciplinarstrafrecht ist im Wesentlichen das für Civilstaatsdiener geordnete, bereits
oben erwähnte, das Verfahren nach Analogie der Strafprozeßordnung mit instanzmäßiger
Organisation. Die Disciplinargerichte entscheiden nicht nur über Amtssuspension, sondern
auch über die unfreiwillige Versetzung in den Ruhestand. (Gesetz vom 22. März 1879
§ 55 f.)
Das in der Verfassung (Grundgesetz § 8) ausdrücklich anerkannte Begnadigungsrecht
(Abolition, Milderungsrecht, Recht der Restitution und Amnestie) ist nur an die Be-
schränkung geknüpft, daß dadurch die Verfolgung der aus einer Rechtsverletzung herflie-
ßenden Privatansprüche nicht ausgeschlossen wird.
Als Ausfluß der landesherrlichen Macht, wahrscheinlich in Verbindung mit der
Kirchen-Regentschaft (Grundgesetz § 130) steht dem Landesherrn noch das Recht zu, auf
gemeinschaftliches Ansuchen beider Ehegatten in dringenden Fällen ohne Benachtheiligung
der öffentlichen Moral und nach näherer Sacherörterung Ehescheidungen auszusprechen
(dritte Beifugensammlung S. 66 und Ges. v. 13. Mai 1837 §F 288).
§ 10. Die Verwaltung. I. Innere Verwaltung. Die innere Verwaltung,
die pflegende und polizeiliche Thätigkeit der Staatsverwal-
tung, ist sowohl von der Finanzverwaltung als der Justiz getrennt. Der letzteren sind
nur innerhalb der durch die Reichsgesetzgebung gezogenen engen Grenzen aus dem Gebiete
der Justizverwaltung, im weiteren Sinne, einzelne verwandte Branchen derselben, wie die
sogenannte freiwillige Gerichtsbarkeit u. s. w., übertragen worden.
Die Militärverwaltung richtet sich nach der oben angezogenen Konvention mit der
Krone Preußen und den hierfür im Königreiche Preußen geltenden gesetzlichen Bestimmungen.
Des Unterschieds zwischen Verwaltungssachen und Justizsachen ist bereits bei der Justiz
Erwähnung gethan.
Ein Gerichtshof für Entscheidung von Kompetenzkonflikten zwischen Justiz und Ver-
waltung ist nicht errichtet worden. Kompetenzkonflikte der unteren Verwaltungsstellen
werden von der vorgesetzten oberen Verwaltungsbehörde, zwischen Behörden verschiedener
Ressorts, falls die Abtheilungsvorstände den Kompetenzkonflikt aufrecht erhalten, durch das
Gesammtministerium (Ges. v. 14. März 1866 Art. 5 Nr. 12) entschieden.
Das Centralorgan für die innere Verwaltung, dem Gebiete aller staatlichen
Aufgaben für Sicherheit und Wohlfahrt ist das Ministerium Abtheilung des
Innern. Auch nach dem Organisationsgesetze vom 14. März 1866 lag in ihm noch
überwiegend der Sitz der unmittelbaren erstinstanzlichen, ihrer Anlage nach vorherrschend
staatlichen Verwaltung. Von da ab kam das Princip der gemeindlichen Selbstverwaltung
in der Landesgesetzgebung mehr und mehr zur Geltung. Das bisherige staatliche Auf-
sichts-- und Genehmigungsrecht wurde erheblich beschränkt (Ges. v. 16. März 1869, Dorf-
ordnung vom 13. Juni 1876) und die Selbstverwaltungsbefugniß der Gemeinden freier
gestellt. Gleichzeitig wurden den Organen der Selbstverwaltungskörper (Gemeinden, Amts-
bezirke) bisher staatliche, größeren Theils mit den früheren unteren Verwaltungsorganen,
den Gerichten oder Kreishauptmannschaften verbunden gewesene Verwaltungsgeschäfte über-
tragen. (Ges. v. 13. Juni 1876.) Vorzugsweise nöthigte die Reichsgesetzgebung zur Aus-
dehnung der Gemeindeverwaltung, indem sie zur Ausführung einer Mehrzahl wichtiger
organischer Gesetze die Hilfe der gemeindlichen Verwaltung zur Nothwendigkeit machte
(Gewerbeordnung, Unterstützungswohnsitz, Standesämter, Wahl der Schöffen u. s. w.).
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