Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.2.2. Das Staatsrecht der Thüringischen Staaten. (6)

100 Sonnenkalb, Das Staatsrecht des Herzogthums Sachsen-Altenburg. 8 10. 
Endlich wurden durch Uebertragung von Verwaltungsgeschäften an die unteren Hauptver- 
waltungsstellen (die Stadträthe und die an Stelle der Gerichte als Obrigkeiten für die 
innere Verwaltung getretenen Landrathsämter), insbesondere behufs Ausführung der Ge— 
werbeordnung vom 21. Juni 1869 (Errichtung von Gewerbebetriebsstatuten 2c. Ver. v. 
17. September 1869), das Gebiet der unteren Verwaltung und die Kompetenzen der ge- 
meindlichen und unteren staatlichen Verwaltungsbehörden erweitert und das Ministerium 
des Innern von der unmittelbaren eigenen Verwaltung entlastet (Ver. v. 29. November 
1867). Damit ist ihm nach und nach in der Hauptsache die Stellung einer Aufsichts- 
und Berufungsbehörde gegeben worden. In einer Anzahl von Verwaltungssachen (Grund- 
stückszerschlagungen laut Ges. v. 9. April 1859) ist das Ministerium noch erstinstanzliche 
Behörde geblieben. 
Einzelne Verwaltungsbranchen (Ablösung von Grundlasten, Grundstückszusammen- 
legungen) sind von der übrigen Verwaltung abgezweigt und besonderen, aus juristisch ge- 
bildeten Beamten und Fachmännern zusammengesetzten Kommissionen erst- und zweitinstanz- 
lich übertragen worden. 
Soweit die Verwaltung nicht den Gemeindevorständen und den Amtsvorstehern 
übertragen ist, ist sie in der Hauptsache in erster Instanz bei den Stadträthen und den 
Landrathsämtern, je eins im Ostkreise und eins im Westkreise. 
Die Verwaltungsrechtspflege ist überall mit der Verwaltung selbst ver- 
bunden. Ein Unterschied zwischen Rechtsbeschwerden und Parteistreitigkeiten existirt ge- 
setzlich nicht. Verwaltungsgerichte sind nicht errichtet worden. Gegen Uebergriffe der Be- 
amten, welche mit einer Schädigung des Vermögens verbunden sind, ist nur die Schadens- 
klage zulässig, welche, wie oben erwähnt, je nach Verschiedenheit des Falls entweder gegen 
den Beamten oder den Staat zu richten ist. 
Allgemeine umfassende Vorschriften über das Verfahren in Verwaltungsstreitigkeiten 
existiren nicht, einzelne Gattungen von Verwaltungssachen (Ablösungs-, Zusammenlegungs-, 
Expropriations-, Gewerbesachen u. s. w.) ausgenommen. Indeß beruht das Verfahren im 
Allgemeinen auf der Erörterungsmaxime (cf. Ges. v. 7. April 1823 8§ 10, Edikt v. 18. 
April 1831). Für den Beweis sind keine Regeln aufgestellt. Eventuell werden die Ana- 
logieen der Prozeßordnungen zur Anwendung zu bringen sein. 
Durch Gesetz v. 14. März 1866 ist der Instanzenzug für alle streitigen wie nicht- 
streitigen Verwaltungssachen, Justiz= und Finanzsachen eingeschlossen, auf eine cinmalige 
Berufung beschränkt. In streitigen Verwaltungssachen, in welchen das Instanzverfahren 
nicht durch Spezialgesetze regulirt ist, haben Berufungen nur dann Suspensivkraft, wenn 
die Berufung innerhalb 10 Tagen eingebracht wird (Erleut. v. 9. Januar 1834). 
Außer der der Verwaltung immanenten polizeilichen Befugniß besteht für die Sicher- 
heitspolizei ein besonderes Vollzugsorgan in der unter dem Ministerium des Innern 
stehenden Gensdarmerie. Ihre Funktionirung ist durch ein besonderes Reglement 
geordnet (Regl. v. 24. October 1840, Ver. v. 8. Februar 1841, Ver. v. 17. December 
1875). Dem Kommandeur steht ein beschränktes Disciplinarstrafrecht gegen seine Unter- 
gebenen zu (Ver. v. 14. Juni 1881). 
Allen mit der Verwaltung betrauten Organen, den Gemeindevorstehern, Amtsvor- 
stehern, Landräthen und Stadträthen, wie dem Ministerium, steht eine staatliche 
Zwangsgewalt, ebenso zu Sicherheits= als zu Wohlfahrtszwecken, zu. Während 
die Befugniß zum Erlasse allgemeiner polizeilicher Verordnungen nur dem Landesherrn 
nach Gehör des Gesammtministeriums zusteht, ist die Befugniß der genannten Verwal- 
tungsorgane zum Erlaß polizeilicher Strafverfügungen ausdrücklich, indeß mit verschieden 
begrenztem Umfang erkannt. 
Die Zuständigkeit des Gemeindevorstehers, des Organs des Amtsvorstehers,
	        
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