141 Forkel, Das Staatsrecht der Herzogthümer Sachsen-Coburg und Gotha. 81.
dem altcoburger Gebiete entfernt liegt; er nannte sich von da an Herzog von S. Co—
burg und Gotha. Herzog Bernhard von S. Meiningen endlich, der grundsätzlich kein Stück
von seinen angestammten Ländern aufgab, vergrößerte sein Gebiet durch die Fürstenthümer Hild-
burghausen und Saalfeld, sowie durch einige losgetrennte Theile von Coburg, Altenburg und Gotha #.
I. Das Herzogthum Coburg umfaßt seit der Theilung von 1826 mit der Erxklave
Königsberg nur noch 562 QOuadratkilometer (10,21 Quadratmeilen), das Herzogthum
Gotha mit den von Preußischem und Schwarzburgischem Gebiete umschlossenen Exklaven
Volkenrode, Nazza, Trasdorf, Neuroda und Kettmannshausen 1406 Quadratkilometer
(25,53 Quadratmeilen) Flächengehalt; die Zahl der Einwohner, fast durchgehends Prote-
stanten, betrug am 1. Dezember 1880 in Coburg 56,728, in Gotha 137,988; jenes hat
eine fränkische, dieses eine sächsische Bepölkerung. Zwischen beiden Ländern liegt ein
Theil des Herzogthums Sachsen-Meiningen und der Preußische Kreis Schleusingen mit
Suhl; diese räumliche Trennung erwies sich später mehr noch wie der ethnographische
Unterschied als das Haupthinderniß einer staatlichen Verschmelzung und machte sich auch
bei anderen Gelegenheiten, z. B. bei der neuen Justizorganisation, in äußerst nachtheiliger
Weise geltend.
Der Anfall Gotha's an Coburg hatte auf Jahrzehnte hinaus nur eine Personal-
Union zur Folge; jedes Herzogthum behielt, wenn auch der Herzog beide Länder durch
das nämliche Ministerium regierte, seine eigene selbstständige Verfassung und Verwaltung;
auch in der Gesetzgebung ging jedes Land seinen eigenen Weg. Während Herzog Ernst I.
für Coburg-Saalfeld schon im Jahre 1821 eine nach damaligen Verhältnissen ziemlich
freisinnige Verfassung eingeführt hatte, besaß und behielt Gotha die alten Feudalstände
mit einer Curie der Grafen und Herren (Hohenlohe-Kirchberg und Hohenlohe-Langenburg
wegen der oberen Grasschaft Gleichen), einer adligen Rittercurie und einer Städtecurie.
In Coburg geriethen die Stände mit der Staatsregierung in den 1830 r und 1840 er
Jahren über Verfassungs= und Finanzfragen in lebhafte Zwistigkeiten, die zu wiederholten
Auflösungen der Versammlung, sogar zu dem seltsamen, „das Recusationsrecht“ genannten
Anspruch des Ministeriums auf Ablehnung mißliebiger Abgeordneter führten und erst im
Jahre 1846 unter dem jetzigen Herzog Ernst II. (succedirt 29. Jannar 1844) ihren Ab-
schluß erreichten. Von da an entwickelte sich ein segensreiches Einvernehmen zwischen Regie-
rung und Landtag; es wurde die Freiheit der Abgeordnetenwahlen sicher gestellt und ein
Gesetz über die Bestrafung des Vergehens der Verfassungsverletzung vereinbart; ein Ge-
setz vom 29. Dezember 1846, die Beiträge der Domäne zu den Staatslasten betreffend,
schlichtete die finanziellen Streitigkeiten und andere zeitgemäße Schritte folgten, so daß
dem Jahr 1848 in Coburg verhältnißmäßig wenig Ansprüche an eine reformatorische
Gesetzgebung übrig blieben.
Anders in Gotha. Hier rief die hochgradige politische Aufregung jener Tage vor
Allem einen lebhaften Drang nach gründlicher Umgestaltung der veralteten Verfassungs-
verhältnisse hervor. Der Herzog kam diesen Forderungen bereitwillig entgegen, mit einer
aus freien Wahlen hervorgegangenen Abgeordnetenversammlung wurde das Gothaische
Staatsgrundgesetz vom 26. März 1849 vereinbart. Gleichzeitig nahm aber der Herzog
mit Eifer den nach dem Erbanfall von 1825/26 leider verabsäumten Plan in Angriff, die
Personalunion beider Länder in eine Realunion umzuwandeln. Es gelang
jedoch den anhaltendsten Bemühungen nicht, mit den beiden Landtagen eine vollständige
politische, finanzielle und administrative Vereinigung zu Stande zu bringen. Gleichviel
ob die „Union“ an der Geringfügigkeit ihres politischen Werthes, an der Unvereinbarkeit
gewisser particulärer Interessen oder an anderen Umständen scheiterte, der Herzog und
seine Regierung mußten sich mit einem theilweisen Erfolge begnügen, welcher in dem
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1) Vergl. oben Seite 4, 31, 65.