Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.2.2. Das Staatsrecht der Thüringischen Staaten. (6)

8g3. Die Staatsämter. 121 
rathes zu veranlassen, welcher aus drei Mitgliedern besteht (der in der Nachfolge 
nächste Agnat ist von dem Familienrath ausgeschlossen) und durch Stimmenmehrheit die 
Frage entscheidet, ob eine Regierungsverwesung nöthig ist. Der bejahende Ausspruch bedarf 
zu seiner Gültigkeit noch der Zustimmung des gemeinschaftlichen Landtags. Die Regierungs- 
verwesung steht dann, wenn nicht der Familienrath mit Zustimmung des gemeinschaftlichen Land- 
tags etwas Anderes bestimmt, der Gemahlin des Herzogs zu, sofern aus dessen Ehe mit 
ihr ein zur unmittelbaren Nachfolge berechtigter, noch nicht regierungsmündiger Prinz vor- 
handen ist, sonst aber dem nächsten regierungsmündigen Agnaten. Eine also beschlossene 
Regierungsverwesung kann nur auf dem nämlichen Wege, durch Beschluß des Familien- 
raths unter Zustimmung des gemeinschaftlichen Landtags wieder aufgehoben werden. 
Während der Regierungsunmündigkeit des Herzogs steht die Regierungsver- 
wesung, wenn nicht durch Gesetz eine andere Anordnung getroffen ist, zunächst der Mutter 
des Herzogs, solange sie den Wittwenstand nicht verläßt, nach ihr aber dem nächsten 
regierungsfähigen Agnaten zu. 
Daß der Regierungsverweser alle verfassungsmäßigen Befugnisse des Herzogs an 
dessen Stelle auszuüben berechtigt ist, liegt im Begriff und Zwecke der ganzen Einrichtung. 
Der Regierungsverweser ist zugleich persönlicher Vormund des Herzogs, er ist ebenso 
wie der Herzog selbst unverletzlich und unverantwortlich, seine Regierungshandlungen be- 
dürfen ebenfalls der Gegenzeichnung des verantwortlichen Ministers. Er muß protestan- 
tischen Glaubens sein und hat seinen wesentlichen Aufenthalt in den Herzogthümern zu 
nehmen. Einen Antrag der Staatsregierung, das Erforderniß des protestantischen Glau- 
bens für den Regierungsverweser im Wege der Gesetzgebung zu beseitigen, hat im Jahre 
1862 der gemeinschaftliche Landtag abgelehnt. Uebrigens sind zur Zeit außer der De- 
scendenz des Prinzen Albert die sämmtlichen Agnaten aus dem Coburg-Gothaischen Spe- 
zialhause katholisch. 
Eine vorübergehende Stellvertretung des Herzogs in der Ausübung der Re- 
gierungsgewalt ist im Staatsgrundgesetz nicht vorgesehen, hat aber mehrmals, insbesondere 
in den Jahren 1862 und 1870 thatsächlich stattgefunden und zwar durch den Staats- 
minister bezw. den verantwortlichen Vorstand der Coburger Ministerialabtheilung kraft 
besonderer Vollmacht, ohne daß die Zustimmung des Landtags dazu eingeholt wurde. 
V. Regierungsantritt. Beim Antritt der Regierung hat der Herzog 
(Statthalter und Regierungsverweser) urkundlich die eidliche Zusicherung zu ertheilen, daß 
er „die Verfassung der Herzogthümer stets gewissenhaft beobachten und kräftig schützen 
will“. So lange diese Urkunde nicht an den gemeinschaftlichen Landtag abgegeben ist 
(derselbe hat sich spätestens am vierten Tage nach Eintritt des Successionsfalls ohne aus- 
drückliche Berufung in Gotha zu versammeln), kann der Herzog Regierungshandlungen 
nicht vornehmen; vielmehr gehen in der Zwischenzeit die nothwendigen Regierungsakte 
vom dirigirenden Staatsminister aus. (Siehe Seite 122.) 
Eine allgemeine Landeshuldigung gegenüber dem Regierungsnachfolger kennt 
das St.G.G. nicht, auch nicht neue Eidesleistungen der Staatsbeamten oder der Landtags- 
abgeordneten. 
§ 3. Die Staatsämter. Der Herzog übt die Regierung durch die Staatsbe- 
hörden aus. Die oberste Behörde für alle Zweige der Staatsverwaltung (auswärtige 
Angelegenheiten, Justiz, innere Verwaltung, Schulwesen, Kirchensachen, Finanzen, auch 
Haus= und Familienangelegenheiten des Herzogs) ist das Staatsministerium; dasselbe 
vereinigt in seinem Wirkungskreise die Geschäfte der Oberaufsicht wie die der obersten 
Verwaltung. Alle Verwaltungs-Mittelbehörden sind aufgehoben. Staatsbehörden, 
welche nicht unter dem Staatsministerium stehen, wie z. B. in Preußen die Oberrechnungs- 
kammer, giebt es nicht.
	        
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