124 Forkel, Das Staatsrecht der Herzogthümer Sachsen-Coburg und Gotha. 85.
tungswege Statt 1). Nach fruchtloser Erschöpfung aller gesetzlichen „Besserungsstrafen“
wird die angedrohte Zurückversetzung oder Dienstentlassung ausgesprochen; der
Angeschuldigte kann jedoch in diesem Stadium auf gerichtliche Entscheidung provociren,
in welchem Falle der Staatsanwalt die entsprechenden Anträge beim zuständigen Ge-
richte stellen soll, als welches nach dem Ausführungsgesetz zum Deutschen Gerichtsver-
fassungsgesetze die Strafkammer des betreffenden Landgerichts anzusehen sein wird. Ein
eigentlicher Disciplinargerichtshof besteht nicht. Auf richterliche Beamte finden übrigens
die erwähnten Maßregeln nur beschränkte Anwendung.
Von der Dienstentlassung unterscheidet sich die Dienstentsetzung, welche wegen
begangener Verbrechen durch richterliches Erkenntniß im Strafverfahren ausgesprochen wird.
Wenn ein Staatsbeamter durch Arglist oder grobe Verschuldung im Amte einen
„Staatsangehörigen“ schädigt, so hat der Staat, insofern nicht besondere Gesetze eine
unmittelbare Vertretungspflicht desselben anordnen, für den zahlungsunfähigen Be-
amten zu haften; ein solcher Anspruch an den Staat verjährt in fünf Jahren (8 68
des St.G.G.). Ausländern (h. z. T. Nichtdeutschen) gegenüber ist die subsidiäre Haftpflicht
des Staates in der Verfassung nicht anerkannt.
§ 5. Die Staatsangehörigen. Das St. G.G. unterscheidet zwischen „Staatsan-
gehörigen“ und „Staatsbürgern"“. „Staatsangehörige“ werden diejenigen genannt,
welche in einem der Herzogthümer ihren bleibenden Wohnsitz haben, „Staats-
bürger“ dagegen diejenigen, welche in einem derselben das Heimathsrecht besitzen.
Diese Begriffsbestimmungen haben aber durch das Bundesgesetz über die Erwerbung und
den Verlust der Bundes= und Staatsangehörigkeit vom 1. Juni 1870 erhebliche Aende-
rungen erlitten. Darnach ist die „Staatsangehörigkeit“ zum „Indigenat“ geworden
und dieses entspricht im Wesentlichen dem früheren „Staatsbürgerrecht"“, ohne jedoch an
das Ortsheimathsrecht gebunden zu sein. Die Consequenzen hieraus sind in dem gemein-
schaftlichen Gesetz vom 8. April 1879 gezogen, welches die betr. Vorschriften des St.G. G.
aufgehoben und den „Staatsangehörigen“ im jetzigen Sinne alle Rechte und Pflichten zu-
gewiesen hat, die nach dem St.G.G. und sonst die „Staatsbürger“ oder die „Staats-
angehörigen“ hatten.
Die Staatsangehörigkeit bezieht sich auf die vereinigten Herzogthümer als Ganzes,
eine particuläre Staatsangehörigkeit von Coburg oder Gotha giebt es nicht. Jeder
Staatsangehörige hat nach Erreichung des 18. Lebensjahres oder bei seiner Naturalisation
„Treue dem Herzog, Gehorsam dem Gesetze und Beobachtung der Verfassung“ zu schwören;
von Frauen wird aber der Huldigungseid thatsächlich nicht verlangt. Bei Feststellung der
allgemeinen Rechte der Staatsangehörigen hat sich das St.G.G. mög-
lichst an die Frankfurter „Grundrechte“ angeschlossen. Vieles davon ist heute durch Reichs-
gesetze für die ganze Nation gleichmäßig geregelt; manches Andere, z. B. das Jagdrecht
als Ausfluß des Grundeigenthums, die Veräußerlichkeit und Theilbarkeit des Grundbe-
sitzes, das Recht der Zwangsenteignung, bildet den Gegenstand besonderer Landesgesetze.
Der Grund und Boden ist im Wege einer billigen Ablösung schon seit einem Vierteljahr-
hundert von dem Lehnverbande, überhaupt von allen Feudallasten befreit, in Coburg ganz,
in Gotha mit alleiniger Ausnahme der Realabgaben für die Kirche, deren Ablösung sich
jetzt im Gange befindet.
Im Einzelnen sei noch Folgendes hervorgehoben:
1. „Alle Staatsangehörigen haben das Recht, zu solchen Zwecken, welche den Strafgesetzen
oder der Sittlichkeit nicht zuwiderlaufen, Vereine zu bilden.“ Auf Grund dieser Ver-
1) Zur Geltendmachung der Ansprüche auf Diensteinkommen, Wartegelder und
Pensionen sowie für Streitigkeiten über die Größe derselben ist der Rechtsweg ausdrücklich
offen gelassen.