130 Forkel, Das Staatsrecht der Herzogthümer Sachsen-Coburg und Gotha. 8 8.
dem Herzog. Der Herzog bestätigt und verkündigt die Gesetze. Erfolgt die Verkündigung
nicht binnen acht Wochen, so gilt die Bestätigung für verweigert. In der Regel treten
die Gesetze am vierten Tage nach der Verkündigung in Kraft.
Provisorische NothverordnungeKn zur Aufrechthaltung der öffentlichen
Sicherheit dürfen der Verfassung nicht zuwiderlaufen, auch muß bei der Verkündigung
die nachträgliche Zustimmung des Landtags ausdrücklich vorbehalten werden. Verweigert
er dieselbe, so tritt die Verordnung sofort wieder außer Kraft.
Mindestens die Zustimmung des Landtagsausschusses ist erforderlich, wenn
im Falle eines Kriegs oder Aufruhrs die gesetzlichen Bestimmungen über Verhaftung,
Haussuchung und Versammlungsrecht zeitweise außer Kraft gesetzt werden sollen, — unbe-
schadet der reichsrechtlichen Bestimmungen über die Verkündigung des Belagerungszustandes.
Die Verordnungen, welche aus dem Oberaussichts= und Verwaltungsrecht
sowie aus der vollziehenden Gewalt fließen, erläßt der Herzog ohne Zustimmung des
Landtags; es versteht sich aber von selbst, daß dieselben nicht in das Gebiet der eigent-
lichen Gesetzgebung eingreifen, also den gesetzlichen Rechtszustand der Staatsangehörigen
nicht verändern dürfen, sondern sich innerhalb der durch die bestehenden Gesetze gezogenen
Schranken zu halten haben.
8 8. Die Justiz. Die grundlegenden Prinzipien, auf denen das deutsche Gerichts-
verfassurgsgesetz beruht, daß alle Gerichtsbarkeit vom Staate ausgeht, daß die Richter
unabhängig und keiner anderen Autorität als der des Gesetzes unterworfen sind, daß sie
nicht wider ihren Willen an eine andere Stelle oder in Ruhestand gesetzt und ihres Amtes
nur durch richterliche Entscheidung enthoben werden dürfen, daß Ausnahmegerichte und
Cabinetsjustiz nicht statthaft, alle privilegirten Gerichtsstände der Personen und Güter
abgeschafft sind, daß die Rechtspflege von der inneren Verwaltung getrennt sein muß 2c.,
hatten in Coburg und Gotha schon seit Jahrzehnten Geltung. Bei der neuen Gerichts-
organisation wurden die meisten Justizämter in Amtsgerichte, das Kreisgericht zu Gotha
in ein Landgericht für das Herzogthum Gotha umgewandelt und das Herzogthum Coburg,
welches für ein eigenes Landgericht zu klein erachtet worden ist, an das Meiningisch-Preu-
tiische Landgericht zu Meiningen angeschlossen; doch erhielt Coburg eine eigene Kammer
für Handelssachen sowie eine auf den angrenzenden Meiningischen Kreis Sonneberg mit aus-
gedehnte Strafkammer. Ferner sind beide Herzogthümer an dem gemeinschaftlichen Ober=
landesgericht der Thüringischen Staaten in Jena betheiligt. Zu dem mit einem Präsi-
denten, 2 Directoren und 12 Räthen besetzten Landgericht zu Meiningen einschließlich der
Handels= und Strafkammer in Coburg stellen die Herzogthümer Coburg und Gotha 1
Director und 2 Richter; im gemeinschaftlichen Oberlandesgericht zu Jena, welches aus
1 Präsidenten, 2 Senatspräsidenten und 14 Räthen besteht, sind sie z. Z. durch 1 Senats-
präsidenten und 1 Rath vertreten ?.
Alle Ausgaben für die Justiz, auch die auf Coburg entfallenden antheiligen Kosten
des Landgerichts zu Meiningen sind gemeinschaftliche (s. S. 126 Anm. 1), wie auch
die gesammte Landesjustizverwaltung jetzt als gemeinsame Angelegenheit behandelt wird
und sich in den Händen derjenigen Ministerialabtheilung befindet, welcher der Staats-
minister vorsteht. Dasselbe gilt von den Entscheidungen auf Gnadengesuche strafgerichtlich
Verurtheilter. Die Vollstreckung der Freiheitsstrafen erfolgt in Anstalten, welche von einem
Theile der Thüringischen Staaten auf Grund eines Vertrags vom 8. Juni 1877 gemein-
schaftlich unterhalten werden.
Die juristischen Staatsprüfungen geschehen vor dem Oberlandesgericht.
Alle Rechtsanwälte in beiden Herzogthümern gehören der Thüringischen An-
waltskammer an, welche ihren Sitz in Jena hat. Die meisten derselben üben wie in den
1) S. oben Seite 49.