132 Forkel, Das Staatsrecht der Herzogthümer Sachsen-Coburg und Gotha. 89.
in Betreff des Wegbaus, der Flurvermessung und der Armenpflege; sie haben auch die
Befugnisse und Obliegenheiten des Gemeindevorstands entweder in Person oder durch einen
Stellvertreter auszuüben.
Allen Gemeinden steht unter gesetzlicher Oberaufsicht des Staats die selbstständige
Verwaltung ihrer Gemeindeangelegenheiten zu. Zu diesen gehört auch die Ortspoli-
zei. Die Städte sind jedoch auf dem Gebiete der Polizeiverwaltung mit weiter gehenden
Befugnissen ausgerüstet als die Landgemeinden; sie unterhalten auch ebenso wie die Land-
rathsämter einen organisirten Polizeidienst, an dessen Spitze der Bürgermeister steht.
Die Magistrate bilden in allen Polizei= und sonstigen Verwaltungssachen die erste In-
stanz und üben insofern wichtige staatliche Functionen, was bei den Vorständen der Land-
gemeinden, welche erst den Landrathsämtern zu berichten und von denselben Weisungen
einzuholen oder ihnen die weitere Behandlung der Sache ausschließlich zu überlassen haben,
weit weniger der Fall ist ). In Betreff der Selbstständigkeit ihrer Vermögensver-
waltung stehen sich dagegen die Stadt= und die Landgemeinden ziemlich gleich: dort
wird die Controle durch die Stadtverordnetenversammlung, hier durch den Gemeindeaus-
schuß und in ganz kleinen Gemeinden durch die Gemeindeversammlung gehandhabt; dort
wie hier hat das Staatsministerium bezw. das Landrathsamt die Etats zu genehmigen,
die Jahresrechnungen zu prüfen und sich auf jede andere geeignete Weise die Ueberzeu-
gung zu verschaffen, daß der Haushalt ordentlich geführt wird. Kommen bei einer Ge-
meindeverwaltung Ordnungswidrigkeiten vor, so kann die Staatsbehörde den Magistrat
bezw. den Schultheißen und dessen Stellvertreter im Disciplinarwege zur Erfüllung ihrer
Obliegenheiten anhalten. Das Staatsministerium ist auch ermächtigt, Gemeindeausschüsse
(Stadtverordnetenversammlungen) aufzulösen, einzelnen Gemeindevorständen aus Gründen
des öffentlichen Wohls die Verwaltung der Ortspolizei zu entziehen und dieselbe anderen
Personen in oder außer der Gemeinde zu übertragen, endlich im Falle einer Verweige-
rung der nothwendigen Wahlen eine provisorische Verwaltung der Gemeindeangelegenheiten
selbst einzusetzen.
Das Coburgische Gemeindegesetz vom 22. Februar 1867 und das
Gothaische vom 11. Juni 1858 beruhen im Wesentlichen auf den nämlichen Grund-
sätzen. Indeß bezieht sich das Gothaische auf die Land= und Stadtgemeinden zugleich,
das Coburgische nur auf die Landgemeinden; in Coburg besitzt jede Stadt ihre besondere
Stadtordnung. In beiden Herzogthümern wird zwischen eigentlichen Gemeindebür-
gern (Ortsnachbarn), Schutzgenossen und Flurgenossen unterschieden; nur
die Bürger (Nachbarn) sind wahl= und stimmberechtigt; die Schutz= und Flurgenossen
werden jedoch zu gewissen Gemeindeleistungen mit herangezogen. Die Wahlen aller
Gemeindebeamten, welche mit staatlichen Functionen betraut sind (Bürgermeister, Magistrats-
räthe, Polizeicommissäre, Schultheißen und Schultheißen-Stellvertreter) bedürfen der Be-
stätigung des Staatsministeriums bezw. des Landrathsamts, welche jedoch nur ver-
sagt werden kann, wenn dem Gewählten die nach dem Gemeindegesetz erforderlichen all-
gemeinen Eigenschaften oder die für die Stelle erforderliche besondere Befähigung mangelt.
Die directen Gemeindeabgaben (Umlageng schließen sich in den Städten wie
in den Dörfern an die Grund= und die Einkommen= bezw. Klassensteuer des Staats an.
Allgemeine Ortsstatuten über die Gemeindeabgaben und über andere Leistungen zu
Gemeindezwecken, dgl. über einzelne Zweige der Gemeindeverwaltung bedürfen der staat-
lichen Genehmigung.
Zu dem Gebiete der inneren Verwaltung im weiteren Sinne kann auch das Unter-
1) Streitigkeiten zwischen Gewerbtreibenden und ihren Gehülfen (§ 108 der Gew.O. vom
21. Juni 1869) werden auf dem Lande ebenso, wie in den Städten von den Gemeindebehörden
entschieden; besondere Behörden bestehen hierfür nicht.