Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.2.2. Das Staatsrecht der Thüringischen Staaten. (6)

89. Die Verwaltung. 133 
richts= und Erziehungswesen gezählt werden, welches nach dem St. G.G. unter 
der Oberaufsicht des Staats steht. Die Schule ist ausschließlich Sache des Staats. Das 
Volksschulwesen liegt in den Händen der Gemeinden. Von den Gemeinden wer- 
den die Mittel zur Errichtung, Unterhaltung und Erweiterung der Volksschulen aufgebracht; 
nur im Falle des Unvermögens tritt hier ergänzungsweise der Staat ein. Die Lehrer an 
den Volksschulen bedürfen der Bestätigung des Staatsministeriums. Ueber Aufgabe und 
Einrichtung der Volksschulen, über die Ausbildung und Anstellung, sowie über die Rechte 
und Pflichten der Volksschullehrer, über die Schulbehörden (Schulämter, Schulinspectoren) 
und den Geschäftskreis des Staatsministeriums als Oberschulbehörde geben ausführliche 
Volksschulgesetze, in Coburg vom 27. October 1874, in Gotha vom 26. Juni 1872 ge- 
naue Normen. In beiden Herzogthümern erstreckt sich die Schulpflicht auf 8 Jahre. Im 
Anschluß an die Volksschulen bestehen Fortbildungsschulen, welche von den aus der 
Volksschule entlassenen Knaben noch 2 Jahre lang besucht werden sollen, wenn nicht in 
anderer Weise für die Weiterbildung derselben gesorgt ist. In Coburg sind auch die taub- 
stummen Kinder schulpflichtig, die staatliche Taubstummenanstalt dient für sie als Volksschule. 
Die höheren Bildungsanstalten, Gymnasien, Realschulen, Baugewerksschulen, 
Schullehrer-Seminarien u. dgl. werden, soweit sie nicht eigenes Vermögen besitzen, vom 
Staate erhalten. 
Als Landesuniversität gilt Jena, jedoch gesetzlich nur für das Herzogthum Gotha; 
ein Zwang zum Besuche derselben besteht für die studirenden Staatsangehörigen nicht 
mehr. Der Herzog gehört — ebenfalls nur als Herzog von Gotha — zu den „Nutri- 
toren“ Jena's; der Beitrag steht auf dem Etat der Gothaischen Staatskasse . 
In allen Polizei= und Verwaltungssachen bildet das Staatsministerium 
die oberste und letzte Instanz: der Rechtsweg gegen Administrativentscheidungen 
ist in der Regel ausgeschlossen; es wäre denn, daß die Klage durch einen speziellen pri- 
vatrechtlichen Titel begründet werden könnte. Die früheren Polizei-Strafsachen gehören 
jetzt meist vor die Schöffengerichte und unterliegen insoweit nicht mehr dem Verwaltungs- 
instanzenzuge. Durch Gesetz vom 7. April 1879 (vgl. § 453 der St. P.O.) ist zwar den 
Verwaltungsbehörden (Landrathsämtern und Magistraten bezw. Stadträthen) für Ueber- 
tretungen im Sinne des § 1 Abs. 3 des R. Str. G. B. in Concurrenz mit den Schöffenge- 
richten noch eine beschränkte Strafbefugniß eingeräumt (Haft bis zu 14 Tagen, Geldstrafe 
bis zu 60 M., Einziehung); doch kann gegen eine solche Strafverfügung der Antrag auf 
gerichtliche Entscheidung gestellt werden; ein Rechtsmittel im Verwaltungswege findet hier 
nicht statt. Eine besondere Verwaltungsrechtspflege, wie sie in der Neuzeit 
in den größeren deutschen Staaten durch Einsetzung von Verwaltungsgerichts- 
höfen organisirt worden ist, „um den in dem öffentlichen Rechte begründeten 
Rechten der Einzelnen einen gleichmäßigen Schutz zu gewähren, wie er den Privat- 
rechten durch die Civilgerichtsbarkeit zu Theil geworden ist“, besteht in den Herzogthümern 
nicht, die ganze Administrativjustiz liegt nach wie vor in den Händen der Verwaltungs- 
behörden selbst, deren oberste Spitze das Staatsministerium ist. In dem zersplitterten 
Thüringen ließe sich auch die Einführung einer guten Verwaltungsrechtspflege im moder- 
nen Sinne kaum anders als durch gemeinsames Zusammenwirken einer Mehrzahl von 
Staaten erreichen. Für verschiedene Verwaltungszwecke, zu deren Erfüllung die eigenen 
Mittel nicht auslangen, bestehen bereits, ebenso wie zu Zwecken der Justizpflege, Vereini- 
gungen mit anderen Ländern, so mit S. Meiningen wegen Mitbenutzung der Irrenanstalt 
in Hildburghausen, mit dem Königreich Sachsen wegen Benutzung der Thierarzneischule 
in Dresden, mit dem Großherzogthum S. Weimar wegen Ausbildung der Coburger 
Hebammen in der Entbindungsanstalt zu Jena. 
1) Siehe Gg. Meyer oben Seite 24 fg.
	        
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