138 Forkel, Das Staatsrecht der Herzogthümer Sachsen-Coburg und Gotha. 8 10.
Anwendung; insbesondere ist von einer Mitwirkung des Landtags bei Festsetzung der
Etats, Justifikation der Rechnungen und Veräußerung einzelner Bestandtheile keine Rede.
Außer dem gesammten Domänengute besitzt das Herzogliche Haus noch verschie-
dene, jedes staatsrechtlichen Charakters entbehrende Familienfideicommisse, über welche das
Hausgesetz vom 1. März 1855 Auskunft gibt.
§ 10. Die Kirche ). 1. Auf die Kirchenverwaltung erstreckt sich die Vereinigung von
Coburg und Gotha nicht.
2. Der Herzog übt in beiden Herzogthümern sowohl die Kirchenhoheit als Aus-
fluß der allgemeinen Staatshoheit wie die Kirchengewalt (das Kirchenregiment im kirchen-
rechtlichen Sinne). Nach der Auffassung des Staatsministeriums ist das Kirchenregiment
des Herzogs ein völlig absolutes und die Mitwirkung des Landtags auch da ausge-
schlossen, wo neue Kirchengesetze gegeben oder den Kirchen-Angehörigen neue Lasten auf-
gelegt werden sollen. In den Landtagen wurde aber dieser Anspruch bei verschiedenen
Gelegenheiten bestritten und hauptsächlich an dem Zwiespalt der beiderseitigen Anschauungen
über die Rechte des sog. summus episcopus im modernen Verfassungsstaate ist im Jahre
1875 vor dem gemeinschaftlichen Landtag die beabsichtigte gemeinschaftliche Synodalordnung
gescheitert. Der Zwiespalt steht heute noch offen.
3. Jedes der beiden Herzogthümer besitzt ein „Regulativ über die kirchliche Ver-
fassung der katholischen Glaubensgenossen“; beide, das Gothaische v. 23. Au-
gust 1811 und das Coburgische v. 30. Oktober 1812, beruhen auf ziemlich gleichen Grund-
sätzen. Die Rechte des Staates finden sich darin auf das Vollständigste gewahrt. Nur
in den Städten Coburg und Gotha sind katholiche Kirchengemeinden zugelassen; dieselben
stehen sammt ihren Dienern und Besitzungen unter der Oberaufsicht der Staatsgewalt,
ihre Befugnisse und Verpflichtungen werden nach den für die protestantische Kirche gel-
tenden Landesgesetzen beurtheilt. Die oberste Kirchengewalt steht auch den Katholiken ge-
genüber dem Landesherrn zu, welcher sie durch das Staatsministerium (früher durch
das Consistorium) ausübt. Das Coburgische Regulativ enthält für den Herzog den Vor-
behalt, „die Aufsicht über das Eigenthümliche des römisch-katholischen Gottesdienstes einem
nach höchstdero freier Wahl zu bestimmenden auswärtigen Bischof in Form eines Man-
dats, das auf keinerlei Art einer auswärtigen Confirmation bedarf, zu übertragen und
die Verhältnisse dieses Bischofs sodann näher zu bestimmen.“ Bis dahin ist es zwar den
Katholiken überlassen, sich in Glaubens= und Gewissenssachen die Belehrung eines von
ihnen selbst auszuwählenden Bischofs zu erbitten; doch darf die persönliche Gegenwart
oder die sonstige unmittelbare Einwirkung eines Bischofs in Gegenstände des äußeren
Cultus und in die Verfassung der Kirche nicht ohne vorherige Genehmigung der Landes-
behörde nachgesucht werden. Aehnlich, wenn auch weniger bestimmt, lauten die betreffeu-
den Vorschriften des Gothaischen Regulativs. Päpstliche Bullen, Breven 2c., Dekrete fremder
Synoden, Concilienschlüsse, Anordnungen eines Bischofs u. dgl. dürfen in beiden Herzog-
thümern ohne ausdrückliche Genehmigung des Landesherrn nicht angenommen, bekannt ge-
macht oder in Wirsamkeit gesetzt werden. Oeffentliche Umgänge sind untersagt. Der Geist-
liche wird vom Landesherrn ernannt; die Gemeinde darf zwar eine geeignete Persönlichkeit
(in Gotha zwei) in Vorschlag bringen, der Herzog ist aber daran nicht gebunden. Der
Pfarrer hat einen Dienst= und Huldigungseid abzulegen und darf vorher keine kirchliche
Verrichtung vornehmen. Bei Schließung einer gemischten Ehe sollen die Betheiligten
darüber Verabredung treffen, in welcher Confession sie die Kinder erziehen werden; diese
Verabredung ist bindend und läßt sich später nicht wieder ändern. Fehlt es aber an einer
1) Obgleich in dem vorliegenden Werke die Verhältnisse von Staat und Kirche aus
berufener Feder bereits eine allgemeine Darstellung gefunden haben, werden hier die folgenden
Bemerkungen über einige in den Herzogthümern bestehende Eigenthümlichkeiten am Platze sein.