81. Geschichtliche Entwickelung. 5
weimarische Fürstenhaus, und die jüngere oder gothaische, aus der die jetzigen
herzoglich sächsischen Häuser hervorgegangen sind.
Der Stifter der weimarischen Speziallinie ist Herzog Wilhelm,
der ältere der beiden nach 1645 noch lebenden Söhne Herzog Johanns. Er starb im
Jahre 1662. Von seinen Söhnen wurde im Jahre 1672 eine weitere Landestheilung
vorgenommen, aus der drei Linien, die weimarische, eisenachische und jenaische hervor-
gingen. Von diesen starb die jenaische im Jahre 1690, die eisenacher im Jahre 1741.
aus. Seit dieser Zeit blieben die weimarischen Besitzungen in einer Hand vereinigt, da
inzwischen durch das Testament Ernst Augusts vom 4 August 1717, welches am 21. Oc-
tober desselben Jahres die Zustimmung des ständischen Ausschusses und am 29. August
1724 die Bestätigung des Kaisers erlangte, die Primogeniturordnung eingeführt war .
Eine wesentliche Vergrößerung erfuhr das Staatsgebiet unter der Regierung Karl
Augusts. Auf Grund des Art. 25 der Rheinbundsacte nahm Sachsen-Weimar die von
seinem Gebiete eingeschlossenen reichsritterschaftlichen Territorien in Besitz. Durch Art.
37 der wiener Congreßacte verpflichtete sich Preußen an Sachsen-Weimar ein Gebiet mit
einer Bevölkerung von im Ganzen 77 700 Seelen abzutreten; dieses Gebiet sollte zum
einen Theil aus Besitzungen des ehemaligen Fürstenthums Fulda, zum andern Theil aus
sonstigen an oder in der Nähe der weimarischen Grenzen gelegenen Territorien bestehen.
Einige der abzutretenden Besitzungen wurden schon in der wiener Congreßacte 2) selbst
bestimmt, die andern durch zwei zwischen Preußen und Weimar abgeschlossene Verträge
vom 1. Juni und 22. September 1815“). Weimar erhielt dadurch den jetzigen neustädter
Kreis des Großherzogthums, den größten Theil des s. g. eisenacher Oberlandes, die
Herrschaften Blankenhain und Niederkranichfeld, das Amt Tautenburg, die Ordenscom-
menden Zwätzen, Lehesten und Liebstädt und eine Reihe anderweiter kleiner Besitzungen.
Die letzte Erwerbung erfolgte im Jahre 1821, wo die Linien des gothaischen Hauses
das Senioratsamt Oldisleben gegen eine Entschädigung von 96 000 Thalern abtraten.
Am 31. April 1815 nahm Karl August den Titel Großherzog von Sachsen-Weimar-
Eisenach an.
Auch für die Verfassungsentwicklung des Landes ist die Regierung
Karl Augusts von entscheidender Bedeutung. In dem Herzogthum bestand bisher eine
landständische Verfassung. Jeder Landestheil, der weimarische, eisenachische und jenaische,
hatte seine besondere Ständeversammlung, welche sich aus Vertretern der Ritterschaft und
Städte zusammensetzte, zu denen im weimarischen und jenaischen Theile noch die Univer-
sität Jena, im eisenachischen die Burggrafen von Kirchberg hinzutraten). Die rechtliche
Stellung dieser Stände entsprach durchaus derjenigen, welche die Landstände in den deut-
schen Territorien überhaupt einnahmen. Der geringe Umfang des Gebietes und die viel-
fachen Landestheilungen ließen jedoch ein bedeutenderes politisches Leben innerhalb der
Ständeversammlungen nicht aufkommen. Wie im übrigen Deutschland, so sank auch in
Weimar die Macht und der Einfluß der Landstände immer mehr herab?). An Stelle
der allgemeinen Landtage wurden in der Regel bloße Ausschußtage berufen, auf denen
1) Abgedruckt bei H. Schulze a. a. O. S. 220 ff. Vergl. C. Freiherr v. Beaulieu-
Marconnay, Ernst August, Herzog von Sachsen-Weimar-Eisenach. Leipzig 1872. S. 81 ff.
2) Wiener Congreßacte Art. 39.
3) Abgedruckt bei Klüber, Acten des wiener. Kongresses Bd. VI S. 152 ff. und bei
Martens, supplément au recueil des principaux traités. Tome VII S. 323 ff.
4) Ständische Angelegenheiten im Großherzogthum Sachsen-Weimar-Eisenach im allgemeinen
Staatsverfassungsarchiv Bd. I S. 235 ff, G. Th. Stichling, Ernst Christian August Freiherr
von Gersdorff, weimarischer Staatsminister. Weimar 1853 S. 36 ff. Th. Martin, Die Ver-
fassung des Großherzogthums Sachsen. Eine Festgabe zur Feier ihres fünfzigjährigen Bestehens.
Weimar 1866. S. 1 ff.
5) C. A. H. Burckhardt, kulturhistorische Bilder aus den weimarischen Landtagen in den
Grenzboten. 36. Jahrgang. 1 Semester. Bd. II S. 81 ff.