6 Meyer, Das Staatsrecht des Großherzogthnms Sachsen-Weimar-Eisenach. 81.
eine Anzahl von deputirten Ständen erschien. Formell blieb jedoch die ständische Ver-
fassung bis zur Auflösung des deutschen Reiches bestehen.
Auch zur Zeit des Rheinbundes erfolgte im Gegensatz zu vielen andern deutschen
Staaten keine Beseitigung, sondern sogar eine Fortbildung der ständischen Verfassung.
Auf Grund von Verhandlungen, welche mit den deputirten Ständen der drei Landschaften
im Laufe des Jahres 1809 stattgefunden hatten, erließ Karl August am 20. September
des gedachten Jahres die Constitution der vereinigten Landschaft der
herzoglich weimar= und eisenachischen Lande mit Einschluß der jenaischen Landesportion 7.
Durch diese wurden die drei Landschaften von Weimar, Eisenach und Jena zu einer
Landschaft vereinigt. Die Geschäfte derselben sollten durch eine ständische Deputation be-
sorgt werden, welche aus 12 Deputirten der Stände — sechs Gutsbesitzern, fünf Vertretern
der Städte und einem Vertreter der Universität Jena — bestand und unter dem Vorsitz
eines Generallandschaftsdirectors tagte. Der Deputation stand die Abnahme der Staats-
rechnungen, die Aufstellung der Etats und eine berathende Stimme bei der Gesetzgebung
zu. Regelmäßige Versammlungen der gesammten Landstände sollten künftighin nicht mehr
stattfinden. Der Herzog behielt sich jedoch vor, dieselben in einzelnen außerordentlichen
Fällen zusammen zu berufen.
Durch Art. 13 der Bundesacte hatten die deutschen Fürsten die Verpflichtung über-
nommen, in ihren Ländern landständische Verfassungen einzuführen. Karl August war
der erste, welcher dieser Verpflichtung nachkam. Im Jahre 1816 wurde eine Versamm-
lung berufen, welche sich aus der ständischen Deputation der alten Lande und Abgeord-
neten der neu erworbenen Landestheile zusammensetzte und mit einigen fürstlichen Com-
missarien eine Verfassung vereinbaren sollte. Aus den Berathungen dieser Versammlung
ging ein Entwurf hervor, der mit einigen unwesentlichen Modificationen die Genehmi-
gung des Großherzogs fand und am 5. Mai 1816 als Grundgesetz über die
landständische Verfassung des Großherzogthums Sachsen-Wei-
mar-Eisenach publicirt wurde"). Das Grundgesetz vom 5. Mai 1816 unterschied
sich von den meisten übrigen deutschen Verfassungen dadurch, daß es nicht, wie diese, eine
Regelung der gesammten Grundlagen der öffentlichen Rechtsordnung bezweckte, sondern
sich auf eine Ordnung der Rechtsverhältnisse des Landtages beschränkte. In letzterer
Beziehung enthält es, wie alle deutschen Verfassungen der damaligen Zeit, eine Mischung
von altständischen und modern repräsentativen Elementen. Ständisch war die Zusammen-
setzung des Landtages, der aus 11 Vertretern der Ritterschaft, zu denen auch der Depu-
tirte der Universität Jena gerechnet wurde, 10 Vertretern der Bürger und 10 Vertretern
der Bauern bestand ). Dagegen waren die Rechte des Landtages nach dem Muster der
modernen Repräsentativverfassungen gestaltet: es stand ihm die Befugniß gemeinsam mit
dem Landesfürsten die Etats festzustellen und eine entscheideude Stimme bei der Gesetz-
gebung zu "#). Auch der Grundsatz, daß die Abgeordneten nicht Vertreter ihres speciellen
Standes, sondern Vertreter aller Staatsbürger seien, hatte in dem Grundgesetz eine un-
zweideutige Anerkennung gefunden?).
Das Grundgesetz vom 5. Mai 1816 blieb bis zum Jahre 1848 unverändert be-
stehen. Im Jahre 1848 machte sich das Verlangen nach einer Reform der Ver-
1) Im Auszuge abgedruckt im allgemeinen Staatsverfassungsarchiv a. a. O. S. 246 ff. Ein
vollständiger Abdruck existirt nicht. Ich habe für die vorliegende Arbeit eine mir aus dem weimari-
schen Haupt- und Staatsurchio mitgetheilte Abschrift benutzt. Vergl. Stichling a. a. O. S. 43 ff.,
2) Allgemeines Staatsverfassungsarchiv a. a. O. S. 252 ff., Martin a. a. O. S. 15 ff.,
Stichling a. a. O. S. 52 ff.
3) Gr.G. § 6 ff.
4) Gr. G. 8 5.
5) Gr. G. § 67