150 Klinghammer, Das Staatsrecht des Fürftenthums Schwarzburg-Rudolstadt. 88 6. 7.
gesetze zur Erreichung der Gemeindezwecke Ortsstatuten mit ministerieller Genehmigung zu
errichten.
Die Gemeinde wählt ihre Vertreter und Beamten selbst, die Bürgermeister bedürfen
jedoch der landesherrlichen, die Schultheißen der landrathamtlichen Bestätigung. Wegen
des wirthschaftlichen und gesellschaftlichen Unterschiedes zwischen Dorf und Stadt ist natur-
gemäß die Verwaltung der Dorf= und Stadtgemeinden verschiedenartig gestaltet worden.
Im Allgemeinen läßt sich diese Verschiedenheit dahin charakterisiren, daß im Gegensatz zur
Stadt die Dorfgemeinde einen einfacheren Verwaltungsapparat und Geschäftsgang besitzt,
dafür aber auch die Oberaufsicht in erhöhterem Maße sich gefallen lassen muß.
In Landgemeinden bis zu 300 Einwohnern besteht die Gemeindebehörde nur
aus einem Schultheißen und einem Stellvertreter. Beträgt die Einwohnerzahl 300 bis
800, so tritt ein Gemeinderath aus 4 Mitgliedern hinzu, beträgt dieselbe über 800, so
wird der Gemeinderath aus 6 Mitgliedern gebildet. Durch Ortsstatut können auch Ge-
meinden der ersteren Kategorie einen Gemeinderath mit 4 Mitgliedern organisiren.
An der Spitze der städtischen Verwaltung stehen besoldete Bürgermeister und
ihnen zur Seite in Städten bis zu 1000 Einwohnern ein Stadtrath aus 4, bis zu 2500
Einwohnern aus 6, in den übrigen aus 8 Mitgliedern. In Städten von mehr als 2500
Einwohnern wird dem ersten Bürgermeister ein zweiter beigeordnet, doch kann hiervon
mit landesherrlicher Genehmigung abgesehen werden. Die Wahl der Schultheißen erfolgt
auf 6, die der Bürgermeister auf 12 Jahre oder in beiden Fällen auf längere bezw. auf
Lebenszeit.
Die Mitglieder des Gemeinde= und Stadtrathes werden auf 6 Jahre gewählt, nach
3 Jahren scheidet jedoch durch das Loos die Hälfte aus und wird durch Neuwahlen er-
setzt. Die Wahlen finden direkt statt und das Stimmrecht steht allen Gemeindemitgliedern,
die im Besitze des Bürgerrechts sind, unter gewissen gesetzlichen Bestimmungen allgemein
und unterschiedslos zu. In der Regel genügt bei allen Wahlen einfache Stimmenmehrheit,
nur zur Wahl der Bürgermeister ist absolute Stimmenmehrheit nöthig. Abgesehen von
Wahlen wird die Gemeindeversammlung nur in wenigen Fällen zusammengerufen.
Die Gemeindelasten werden, soweit sie in Geldbeiträgen bestehen, nach Ver-
hältniß der zu entrichtenden direkten Staatssteuern vertheilt.
Auf Verlangen der Regierung sind die Bürgermeister und Schultheißen zur un-
entgeltlichen Handhabung der niederen Polizei verpflichtt. Im Allgemeinen übt der
Landrath in erster Instanz das staatliche Oberaussichtsrecht über die Gemeinden aus.
Er ist befugt, unter gesetzlich bestimmten Voraussetzungen in einzelnen Fällen die Funktionen
der Gemeindebehörden selbst zu übernehmen und wegen vorgekommener Ordnungswidrig-
keiten gegen die Mitglieder dieser Behörden Ordnungsstrafen bis zu 36 Mark auszu-
sprechen.
Gegen die Entscheidungen des Landrathamtes findet Berufung an das Ministerium
statt. Zur Veräußerung größerer Gemeindegrundbesitzungen, Vermehrung der Gemeinde-
schulden durch Anleihen, Erhebung neuer indirekter Gemeindeabgaben und Bildung neuer
und Abänderung bestehender Gemeindeverbände und Gutsbezirke ist stets die Genehmigung
des Ministeriums einzuholen. Letzteres kann aus gesetzlich bestimmten Gründen einzelne
Mitglieder der Kommunal-Verwaltung ihrer Dienstverrichtungen entheben, Stadt= oder
Gemeinderäthe mit landesherrlicher Genehmigung auflösen, den Gemeindevorständen die
denselben übertragene Polizeiverwaltung entziehen und provisorische Verwaltung der Ge-
meindeangelegenheiten anordnen.
Nur durch landesherrliche Bestimmung können einzelne Städte von der Aufsicht des
Landrathamtes eximirt und dem Ministerium direkt unterstellt werden.
§ 7. Die Finanzverwaltung. Zur Deckung der Ausgaben sind der Staatskasse