8 Meyer, Das Staatsrecht des Großherzogthums Sachsen-Weimar-Eisenach. 83.
Die Thronfolgeordnung ist die Primogeniturordnung. Sie beruht auf dem Testameut
Ernst Augusts vom 4. August 17171); die Bestimmungen desselben beziehen sich aber
nur auf das weimarische Haus, dagegen nicht auf das Gesammthaus Gotha und die
albertinische Linie, falls diese zur Succession gelangen sollten. Die Grundsätze der Eben-
bürtigkeit sind streng durchgeführt. Die Volljährigkeit tritt auf Grund eines
kaiserlichen Privilegs vom 6. Juli 1775 mit dem vollendeten 18ten Lebensjahre ein?). Im
Falle der Abwesenheit oder Behinderung des Großherzogs tritt kraft allgemeinenen höchsten
Auftrages sein volljähriger Regierungsnachfolger, eventuell das Staats-Gesammtmisterium
in seine Stelle, sofern der Großherzog nicht etwas Anderes angeordnet hat). Diese Ver-
tretung ist eine Stellvertretung im eigentlichen Sinne; der Stellvertreter hat die Regie-
rung im Auftrage und nach den Grundsätzen des verhinderten Großherzogs zu führen.
Die Anordnung einer solchen Stellvertretung ist aber nur dann möglich, wenn der Groß-
herzog sich im Stande befindet, selbst einen Stellvertreter zu bestellen. Ist dies nicht
möglich, so wird die Einsetzung einer Regentschaft nothwendig. Ueber diese fehlt es bis
jetzt an genauer fixirten rechtlichen Grundsätzen.
Der Uebergang der Regierung erfolgt, den Grundsätzen des deutschen
Staatsrechtes gemäß, ipso jure. Der neue Landesfürst hat sich zwar beim Antritt der
Regierung schriftlich bei fürstlichen Worten und Chren verbindlich zu machen die Ver-
fassung aufrecht zu erhalten und diese Versicherung einem zu berufenden außerordentlichen
Landtage zu übergeben"). Aber die Ausübung der Regierungsrechte ist davon gänzlich
unabhängig; die vorgeschriebenen Handlungen sind Formalitäten ohne jede rechtliche Be-
deutung.
§8 3. Die Staatsbehörden. 1. Geschichtliche Entwickelung. Die Ausbildung
der Behördenorganisation des Herzogthums, späteren Großherzogthums Sachsen-Weimar
bietet durchaus dasjenige Bild der Entwickelung dar, welches in den deutschen Territorien
überhaupt zu Tage tritt.
Im sechzehnten Jahrhundert bildeten sich in den landesherrlichen Territorien zwei
collegialisch organisirte Behörden aus: die Kanzleien, später Regierungen genannt, und
die Hofgerichte. Diese begegnen uns auch in den ernestinischen Landen. Jedes dieser Länder
hatte seine eigene Kanzlei oder Regierung, welche den Mittelpunkt der Landesverwaltung
bildete und den Landesherrn in der Führung der Landesregierung unterstützte. Auch in Weimar
bestand eine solche, für welche im Laufe des sechzehnten und siebzehnten Jahrhunderts verschiedene
Ordnungen erlassen sind 5). Eine gleichartige Behörde existirte in Eisenach, welche auch nach dem
Anfall des eisenachischen Territoriums an Weimar bestehen blieb „). Die Hofgerichte waren
dagegen eine gemeinschaftliche Institution. Schon seit Ende des fünfzehnten Jahrhunderts hatte
in Sachsen ein gemeinschaftliches Oberhofgericht bestanden, das seine Sitzungen abwechselnd in Alten-
burg und in Leipzig hielt und dessen Jurisdiction sich sowohl auf die Länder albertinischer als
auf die ernestinischer Linie erstreckte. Diese Gemeinsamkeit hörte nach der wittenberger Capitu-
lation auf und das nunmehr in Leipzig verbleibende Oberhofgericht wurde ein ausschließliches Ge-
richt der albertinischen Linie. Dagegen errichteten die Fürsten ernestinischer Linie im Jahre 1566
ein gemeinschaftliches Hofgericht in Jena, mit welchem auch das seit 1544 bestehende besondere
Hofgericht in Coburg vereinigt wurde. Im Jahre 1598 erfolgte die Errichtung eines neuen Hof-
gerichtes in Coburg, im Jahre 1648 die Wiedervereinigung desselben mit dem jenaer Hofgericht.
Dem Hofgericht stand die erstinstanzliche Jurisdiction über die Angehörigen der Ritterschaft und
andere schriftsäßige Personen so wie Appellationsgerichtsbarkeit zu. Die Regierungen der einzelnen
ernestinischen Lande besaßen concurrirende Jurisdiction mit dem gemeinschaftlichen Hofgericht und
1) Vergl. S. 5 Anm. 1.
2) H. Schulze, Hausgesetze a. a. O. S. 27.
3) Ges. über die Neugestaltung der Staatsbehörden vom 5. Marz 1850 § 63.
4) Rev. Gr. Ges. § 67—69.
5) Schweitzer a. a. O. S. 127 ff.
6) Schweitzer a. a. O. S. 130.