88. Staatsvermögen und Staatsfinanzen. 183
hörden und Beamte, bezw. nach erfolgloser Erschöpfung des Instanzenzugs von Seiten des
unmittelbar Verletzten, an den Landesherrn bringen. Unter gleicher Voraussetzung kann
er an ihn gelangende schriftliche Beschwerden der Landesangehörigen discutiren und ge-
eigneten Falls zur Berücksichtigung empfehlen. Deputationen darf er nicht annehmen.
Der Landtag hat aus seiner Mitte einen Vorsitzenden und einen Stellvertreter des-
selben, ingleichen aus der Zahl der inländischen Rechtskundigen einen Schriftführer zu
wählen. Seine Verhandlungen sind regelmäßig öffentlich. Im Allgemeinen können Be-
rathungen des Landtags bei Anwesenheit von wenigstens der Hälfte, gültige Beschluß-
fassungen bei Anwesenheit von wenigstens / seiner Mitglieder stattfinden; es entscheidet
in der Regel einfache Stimmenmehrheit. Zu Verfassungsänderungen aber ist die An-
wesenheit von wenigstens ¾ der Abgeordneten, zweimalige Abstimmung mit einem Zwischen-
raum von mindestens 8 Tagen und eine Stimmenmehrheit von wenigstens /8 der an-
wesenden Abgeordneten erforderlich. Eine weitere Ausnahme von jener Regel s. oben
unter 2. — Die Mitglieder der Regierung sowie die etwa vom Landesherrn ernannten
besonderen Kommissarien können in den Landtagssitzungen jederzeit das Wort nehmen;
Interpellationen haben sie, „soweit nicht erhebliche Bedenken entgegenstehen“, zu beant-
worten. Die vom Landesherrn an ihn gebrachten Gegenstände hat der Landtag vor
allen übrigen in Berathung zu ziehen, wenn nicht die Dringlichkeit eines Antrags der
Landesvertretung von der Regierung anerkannt wird. Der Landesherr kann die von ihm
an den Landtag gebrachten Gegenstände während der Diät zurücknehmen und nach Ab-
änderung demselben Landtag anderweit vorlegen lassen. Alle Beschlüsse der Landesver-
tretung in Landesangelegenheiten werden erst durch ausdrückliche landesherrliche Sanktion
wirksam. — Die Abgeordneten sind nicht die Vertreter ihres Wahlbezirks bezw. ihrer
Wahlgenossenschaft, sondern haben sich bei ihrer ständischen Wirksamkeit lediglich von der
Rücksichtnahme auf das Gemeinwohl sämmtlicher Landesangehörigen leiten zu lassen; doch
können sie Wünsche und Beschwerden ihrer Wähler beim Landtag zur Verhandlung bringen.
Sie werden bei ihrem Eintritt in den Landtag auf die Verfassung vereidet. Während
der Dauer des Landtags sind sie unverletzlich und können außer dem Fall der Ergreifung
auf frischer That ohne Zustimmung des Landtags nicht verhaftet werden. Sie beziehen
aus der Landeskasse Tagegelder und bezw. Reisevergütung.
§ 8. Staatsvermögen und Staatsfinanzen. Als den ansehnlichsten Theil des Staats-
vermögens bezeichnet die Verfassungsurkunde die zur Landeskasse fließenden Abgaben der
Staatsangehörigen ). Im Uebrigen besteht dasselbe aus einigen wenigen fiskalischen
Grundstücken und hauptsächlich aus Kapitalien, welche zumeist in verzinslichen Werthpa-
pieren angelegt sind. An direkten Abgaben werden namentlich Grundsteuern :) und Ein-
kommensteuern ), außerdem Erbschaftssteuern ), Hausirsteuern ) und Hundesteuern?), ferner
Tanzgelder?) und Jagdkartengelder ) erhoben; endlich haben die zugelassenen Feuerver-
sicherungsanstalten eine Abgabe zu entrichten, deren Ertrag im Interesse des Feuerlösch-
wesens verwendet wird. Die Grundsteuern, welche nach dem durch Vermessung und Ab-
schätzung ermittelten Nutzungswerth der Grundstücke nach Steuereinheiten erhoben werden,
sind unveräußerlich; Caducirung derselben kann nur vom Landesherrn mit ständischer
Zustimmung bewilligt werden?). Partikuläre indirekte Abgaben werden nicht erhoben;
im Uebrigen genügt es, hier zu erwähnen, daß das Fürstenthum dem Thüringischen Zoll-
und Handelsverein angehört. (Vergl. Laband im Handb. des öff. Rechts II. I. S. 198).
Wegen aller öffentlichen Abgaben und Gefälle (auch Gemeindeanlagen und dergl.)
findet die Beitreibung im Wege eines besonders geregelten gerichtlichen Zwangsvoll-
1) Verf. § 13. 2 G.G. v. 9.(5 57, 13./6 65, 10./8 70, 28.0|2 73. 3) G.G. v. 8./8 70,
29./9 71, 26./2 75, 23./12 76, 22./12 82. 4) G. v. 3./3 75. 5) G. v. 17.6 78. 6) G. v.
19./9 68. 7) V. v. 26.3 52. 8) Prov.V. v. 3./11 51. 9) Verf. § 13.