§ 8. 9. Die Staatsfinanzen. — Volkswirthschaftspflege. 195
den Dorfgemeinden durch die Landrathsämter. Die Aufsichtsbehörde überwacht, daß von
den Gemeindeverwaltungen die Gesetze befolgt und die denselben obliegenden öffentlichen
Verpflichtungen erfüllt werden; dieselbe entscheidet üben Beschwerden und Berufungen in
Gemeindesachen und hat das Recht, Gemeindevorstände in Ordnungsstrafen zu nehmen.
Ortsstatute, die Erhebung indirekter Steuern, die Bildung neuer oder die Abände-
rung bestehender Gemeindeverbände, sowie die Wahl von Gemeindevorstandsmitgliedern
auf länger als 6 Jahre bedürfen der Genehmigung des Fürstlichen Ministeriums. Dieses
kann auch bei grober Pflichtverletzung Mitglieder des Gemeindevorstandes ganz oder auf
Zeit suspendiren und, wenn die gesetzlich uothwendigen Wahlen von der Gemeinde ver-
weigert werden, eine provisorische Verwaltung anordnen.
Wenn ein Gemeinderath seinen Obligenheiten nicht nachkommt, so kann derselbe
durch landesherrliche Verordnung auf Antrag des Gesammtministeriums unter Angabe
der Gründe aufgelöst werden.
§ 8. Die Staatsfinanzen. Das Land besitzt außer den Staatsgebäuden mit Zube-
hörungen und den Staatsstraßen Grundbesitz nicht.
Ein über die Dominialbesitzungen seit dem Jahre 1849 angeregter Streit ist durch
Gesetz vom 23. November 1880 dahin geschlichtet worden, daß das Fürstliche Haus das
Eigenthum dieser Besitzungen vollständig behalten und als Abfindung an den Staat eine
Million Mark gewährt hat.
Der Fürst und das Fürstliche Haus beziehen Revenüen vom Lande nicht.
Einkünfte aus Regalien hat der Staat nicht. Eine wesentliche Einnahme bieten die
Landessparkassen.
Die Landesschuld beträgt zur Zeit etwas über 1 000 000 Mark.
Die direkten persönlichen Steuern werden durch eine (den preußischen Grundsätzen
nachgebildete) Klassen= und Einkommensteuer aufsgebracht.
Vom Grundbesitz wird eine Grundsteuer und vom Bergwerkseigenthum eine Gruben-
feldabgabe erhoben.
§ 9. Volkswirthschaftspflege. Die volkswirthschaftlichen Verhältnisse sind vorzüglich
in folgenden Rücksichten von der Langesgesetzgebung geordnet:
Das Grundeigenthum ist durch Gesetz vom 28. Juli 1853 vom Lehnsverhältnisse be-
freit; die Gebundenheit des Grundbesitzes ist durch Gesetz vom 2. December 1871 ausge-
hoben. Die auf dem Grundbesitze haftenden Reallasten und Beschwerungen mit Ausnahme
der an Kirchen, Pfarreien, Schulen und milde Stiftungen zu entrichtenden, unterliegen
in Folge der Gesetze vom 23. März 1838, 15. Januar 1858 und 16. Juli 1864 der Ab-
lösung durch den zwanzigfachen Betrag des Jahreswerthes. Das Provokationsrecht steht
beiden Theilen zu. Die Ablösung ist fast vollständig, großentheils durch Zuhilfenahme
einer Landrentenbank, durchgeführt. Neue Reaallasten können nicht constituirt oder er-
worben werden.
Ueber die Zusammenlegung der Grundstücke besteht ein Gesetz vom 8. Okt. 1860,
von welchem aber noch von keiner Gemeinde Gebrauch gemacht ist.
Das Grund= und Hypothekenwesen ist durch Gesetz vom 20. November 1858 genau
in Uebereinstimmung mit der Sächsischen Gesetzgebung geordnet.
Ueber die Benutzung des Wassers und den Schutz gegen dasselbe besteht ein umfassendes
Gesetz vom 6. April 1872; ebenso ein solches über den Schutz von Holzungen, Baumpflan-
zungen, Feldern und Wiesen vom 27. Dezember 1870. Die Fischerei in fließenden Ge-
wässern ist durch Gesetz vom 15. Juli 1870 geregelt. Nach § 46 des Nachtragsgesetzes
zur Verfassung vom 20. Juni 1856 können über die Ausübung der Jagd im Verordnungs-
wege Bestimmungen erlassen werden. Nach den jetzt bestehenden Verordnungen üben die
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