Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.2.2. Das Staatsrecht der Thüringischen Staaten. (6)

12 Meyer, Das Staatsrecht des Großherzogthums Sachsen-Weimar-Eisenach. 2 
und der Begnadigung darf der Großherzog nur mit Zustimmung des Landtages ausüben 7. 
III. Organe der lo kalen Verwaltung. Die Hauptorgane der lokalen 
Verwaltung sind die Bezirksdirektoren. Ihnen stehen die Funktionen der innern 
Verwaltung, einschließlich der Communalaufsicht und der den Civilbehörden über- 
tragenen Geschäfte der Militärverwaltung, zu. Auf sie ist ein Theil der Befugnisse 
der früheren Landesdirection und sind auch einige Befugnisse der ehemaligen Landesre- 
gierungen übergegangen. Bei jeder Bezirksdirection besteht ein Bezir ksausschuß, der 
sich aus dem Bezirksdirector und einer Reihe von gewählten Mitgliedern zusammensetzt. 
Von letzteren wird einer durch diejenigen Grundbesitzer, deren Grundbesitzungen jährlich 
mindestens 1000 Thlr. Rente abwerfen, einer durch diejenigen Staatsangehörigen, welche 
aus andern Quellen als Grundbesitz ein jährliches Einkommen von mindestens 1000 Thlr. 
beziehen, die andern werden durch die für die Wahl der Landtagsabgeordneten bestellten 
Wahlmänner gewählt. Dem Bezirksausschuß stehen wichtige Entscheidungsrechte auf 
dem Gebiet der inneren Verwaltung, namentlich auf dem der Communalaufsicht zu?. 
Die Einrichtung der Bezirksausschüsse verdient besondere Beachtung. Das Großherzog- 
thum Sachsen-Weimar hat mit denselben zuerst von allen deutschen Staaten den Versuch gemacht, 
Elementen der Selbstverwaltung die Ausübnung obrigkeitlicher Funktionen zu übertragen. Die 
weimarischen Bezirksausschüsse sind 13 Jahre vor der Einrichtung der badischen Bezirksräthe, 
22 Jahre vor der der preußischen Bezirksausschüsse entstanden. Wenn auch nun zuzugeben ist, 
daß eine derartige Einrichtung in einem kleineren Staate mit wesentlich gleichartigen Verhält- 
nissen sich außerordentlich viel leichter herstellen läßt als in einem Großstaate, der innerhalb 
seiner Provinzen die größten Mannigfaltigkeiten in Bezug auf Bevölkerung und wirthschaftliche 
Verhältnisse aufweist, so bleibt es doch immerhin ein großes Verdienst der weimarischen Regie- 
rung auf einem beschränkten Gebiete den ersten erfolgreichen Versuch in dieser Richtung gemacht 
zu haben. 
Die Einrichtung der Bezirksausschüsse hat sich in jeder Beziehung bewährt. Dagegen 
ist die obere Instanz noch rein bureaukratisch geblieben. Beschwerdeu gegen Verfügungen der 
Bezirksausschüsse gehen an das Staatsministerium. Diesem steht die höchstinstanzliche Entschei- 
dung in allen Fragen des Verwaltungsrechtes zu. Praktische Unzuträglichkeiten haben sich aus 
diesem Rechtszustande bisher nicht ergeben, da das Staatsministerium seine Befugnisse in maß- 
voller, objectiver und unparteiischer Weise gehandhabt hat. Auf die Dauer werden sich aber auch 
die kleineren deutschen Staaten der auf Herstellung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit gerichteten 
Strömung nicht entziehen können. Die Zahl der im Großherzogthum vorkommenden Verwal- 
tungsstreitsachen wird allerdings keine so große sein, daß sie die Thätigkeit eines besonderen Ver- 
waltungsgerichtshofes ausfüllen könnte. Ein solches Institut ließe sich nur entweder als ein mit 
andern Staaten gemeinschaftliches oder da gegen eine derartige Einrichtung wegen der Verschie- 
denheiten der Verwaltungsgesetzgebungen immerhin Bedenken bestehen würden, in der Weise or- 
ganisirt denken, daß die Aemter beim Verwaltungsgerichtshofe nur ausnahmsweise als einziges 
Amt, regelmäßig dagegen als Nebenamt verliehen würden. 
Die lokalen Organe auf dem Gebiete der Finanzverwaltung sind die 
Rechnungsämter, welche die Befugnisse der ehemaligen Rentämter und einiger anderer 
Behörden übernommen haben. Ihnen liegt namentlich die Erhebung der directen Staats- 
steuern und die Einkassierung der Brandkassenbeiträge durch die von den Gemeinden be- 
stellten Ortssteuereinnehmer, die Aufsicht über die Kammergüter und die Bestreitung der 
lokalen Amtsausgaben ob)). 
Als unterste Verwaltungsorgane fungiren die Gemeindebehörden. Sie haben die 
Ortspolizei auszuüben, die directen Staatssteuern und die Brandkassenbeiträge durch zu diesem 
Zweck bestellte Ortssteuereinnehmer erheben und an die Rechnungsämter abliefern zu lassen"). 
Den Polizeibehörden des Großherzogthums steht ein polizeiliches Verord- 
1) Rev. Gr.Ges. § 48—59. Rachtrag vom 27. März 1878 § 2. Ges. über Erhebung von 
Anklagen gegen Minister und das dabei einzuhaltende Verfahren vnm 22. Oct. 1850. 
2) Ges. über die Neugestaltung der Staatsbehörden vom 5. März 1850 § 9—19. Nachtr. 
vom 9. Mai 1853. 
3) Ges. über die Neugestaltung der Staatsbehörden vom 5. März 1850 § 38—43. 
4) Ges. über die Neugestaltung der Staatsbehörden vom 5. März 1850 | 1 und 5.
	        
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