2 Die Finanzverwaltung. 21.
später durch das Gesetz vom 19. März 1851 und letzteres wieder durch das revidirte
Gesetz über die allgemeine Einkommensteuer vom 19. März 1869 ersetzt. Dieses Gesetz
enthielt bis zum 1. Januar 1884 die für die Erhebung der Einkommensteuer maßgebenden
Vorschriften.
Nach dem demselben zu Grunde liegenden System erfolgte die Umlegung und Er-
hebung der Einkommensteuer gemeindeweise. Der von einer Gemeinde aufzubringende
Steuerbetrag hieß die Ortssteuerquote. Doas steuerpflichtige Einkommen zerfiel in
zwei große Gruppen: dasjenige Einkommen, welches vom Steuerpflichtigen selbst
anzumelden (zu fatiren) war, und dasjenige, welches durch Schätzung festgestellt
wurde. Zu dem ersteren gehörten Diensteinkommen, Gehalte, Wartegelder und Pen-
sionen aus Hof-, Staats= und anderen öffentlichen Kassen, Erbzinsen und andere grund-
herrliche Gefälle, Ziusen und Dividenden von Activcapitalien bez. Actien aller Art, in-
gleichen Leibrenten. Derjenige Steuerbetrag, welcher von dem in einem Gemeindebezirke
fatirten Einkommen aufzubringen war, bildete den ersten Theil der Ortssteuer quote.
Innerhalb dieses ersten Theils der Ortssteuerquote erfolgte die Erhebung der Steuer von
den Individualsteuercapitalen genau nach dem in dem Finanzgesetze festgestellten Steuerfuße.
Mit dem Zugang und Abgang von Individualsteuercapitalien fand demnach auch eine
entsprechende Vermehrung oder Verminderung des betreffenden Theils der Ortssteuer-
quote statt. Durch Einschätzung wurde dagegen das Einkommen aus Grund und
Boden, das Einkommen von Auszügen aus Landgütern, das Einkommen aus Gewerbe
und Erwerb, mit Einschluß des Handels= und Fabrikbetriebes, ingleichen des Feld= und
Pachtgewerbes, sowie das Einkommen aus Privatdiensten festgestellt. Der von diesem
Einkommen in einer Gemeinde aufzubringende Steuerbetrag bildete den zweiten Theil
der Ortssteuerquote. Er wurde vom Staatsministerium auf Grund der Er-
fahrungen der letzten Finanzperiode für jede Gemeinde in einer festen Summe ausge-
worfen und hatte den Charakter eines für die ganze Finanzperiode feststehenden Pausch-
quantums, auf welches der Abgang oder Zugang von Individualsteuercapitalien ohne
jeden Einfluß blieb. Dieses Pauschquantum wurde innerhalb jeder Gemeinde durch s. g.
Ortssteuervertheiler auf die einzelnen Steuerpflichtigen nach Maßgabe ihres Einkommens
repartirt. Der von letzteren zu entrichtende Betrag an Steuerpfennigen entsprach
daher nicht immer genau dem in dem Finanzgesetze festgestellten Steuerfuße; er konnte
höher oder niedriger als dieser sein, je nachdem das Ministerium bei Feststellung der
Ortsquote den Betrag der Individualeinkommen entweder höher oder niedriger ange-
nommen hatte, als er sich bei der Ermittlung durch die Ortssteuervertheiler thatsächlich
herausstellte.
Dieses s. g. Ortsquotensystem, welches für die bisherige Steuergesetzgebung des
Großherzothums besonders charakteristisch war, hatte aber mancherlei Uebelstände im Ge-
folge. Bei der Einführung desselben im Jahre 1823 glaubte man dadurch, daß man bei
dem durch Einschätzung zu ermittelnden Einkommen die Bestimmung des von den Ge-
meinden aufzubringenden Steuerbetrages dem Ministerium vorbehielt und den Steuer-
vertheilern nur die Untervertheilung auf die einzelnen Steuerpflichtigen überließ, eine gleich-
mäßige und gerechte Vertheilung dieses Theils der Steuer durch das Land herbeizuführen.
Die praktischen Erfahrungen bestätigten aber diese Voraussetzung in keiner Weise. Da
die Feststellung der Ortssteuerquote durch das Ministerium auf Grund der Erfahrungen
der vorigen Finanzperiode erfolgte, so hatte eine höhere Schätzung der in einer Gemeinde
befindlichen Individualsteuercapitalien nothwendig eine Erhöhung der Ortsquote, also
auch eine stärkere Heranziehung der einzelnen Steuerpflichtigen für die nächste Finanz-
periode zur Folge. Die Ortssteuervertheiler gehörten aber regelmäßig gerade denjenigen
Kreisen an, welche von einer derartigen Erhöhung der Steuer in erster Linie betroffen