89. Die kirchlichen Verhältnisse. 23
ßeren Städten des Großherzogthums, namentlich in Weimar, Jena und Eisenach, aus
zugezogenen Elementen katholische Gemeinden entstanden. Doch bildet auch jetzt noch die
katholische Bevölkerung gegenüber der protestantischen eine verschwindende Minderheit.
J. Die protestantische Kirche befand sich von jeher unter dem Kirchenre—
gimente des Landesherrn und die Verwaltung der kirchlichen Angelegenheiten wurde im
Sinne des Territorialismus als ein Bestandtheil der Staatsverwaltung angesehen. Der
Landesherr führte diekirchliche Verwaltung durch seine Consistorien; als Aufsichtsorgane fungir-
ten die Superintendenten und die aus diesen und den Gerichtsbeamten bestehenden Kirchen-
inspectionen. Diese Verhältnisse haben sich im Laufe der letzten Jahrzehnte geändert,
durch die Kirchengemeindeordnung vom 24. Juni 1851 ist für die einzelnen Gemeinden
eine presbyterale, durch die Synodalordnung vom 29. März 1873 für die Landeskirche
eine synodale Verfassung eingeführt. Trotzdem hat eine scharfe Trennung der staatlichen
und kirchlichen Sphäre bis jetzt nicht stattgefunden.
An der Spitze der evangelischen Landeskirche steht der Großherzog als In-
haber des Kirchenregimentes. Als höchstes Verwaltungsorgan unter dem Großherzoge
fungirt für die äußeren Angelegenheiten der Kirche das großherzogliche Staatsmini-
sterium, Departement des Cultus, in rein kirchlichen Angelegenheiten der Kirchen-
rath. Letzterer ist an die Stelle der früheren Consistorien getreten. Seine Errichtung
erfolgte durch Verordnung vom 25. September 1849; seine jetzigen Rechtsverhältnisse sind
durch die Verordnung vom 25. November 1874 geregelt. Er besteht aus dem Chef des
Cultusdepartements als Vorsitzenden, einem vom Großherzog ernannten weltlichen rechtsver-
ständigen Mitgliede und einer Anzahl von ebenfalls durch den Großherzog ernannten Geist-
lichen der evangelischen Landeskirche als ordentlichen Mitgliedern. Zu diesen treten bei der
Beschlußfassung über gewisse Angelegenheiten die Mitglieder des ständigen Synodalausschusses
als außerordentliche Mitglieder hinzu. Als lokale Aufsichtsorgane bestehen die Super-
intendenten und die Kircheninspectionen : erstere für die rein kirchlichen, letztere
für die äußeren Angelegenheiten. Die Kircheninspectionen sind auch nach Trennung
der Justiz von der Verwaltung in ihrer alten Gestaltung bestehen geblieben und setzen sich
aus einem der Amtsrichter des Bezirkes und dem Superintendenten zusammen?).
Die Gemeindeverfassung beruht auf der Kirchengemeindeordnung vom
24. Juni 1851 mit Nachträgen vom 22. Februar 1854, 12. Juli 1879 und 9. Dec. 1882. Da-
nach besteht in jeder Gemeinde ein Kirchen gemeindevorstand (Presbyterium), der sich
aus dem oder den Ortsgeistlichen, einem mit der Ertheilung des evangelischen Religionsunter-
richtes betrauten Schullehrer und einer Anzahl von der Kirchengemeinde gewählter Mit-
glieder zusammensetzt. Diesen tritt unter Umständen noch der Bürgermeister der Ortsgemeinde
und der Patron hinzu. Der Kirchengemeindevorstand hat die der Gemeinde zustehenden Befug-
nisse bei der Besetzung geistlicher Stellen auszuüben, ihm steht die Verwaltung des Kirchen-
vermögens zu, er besitzt überhaupt alle diejenigen Befugnisse, welche derartigen kirchlichen Or-
ganen in den neueren deutschen Kirchenordnungen eingeräumt sind. Neben dem Kirchenvor-
stande besteht die kirchliche Gemeindeversammlung ,ean der alle selbstständigen
unbescholtenen männlichen Mitglieder der Kirchengemeinde, welche das 25. Lebensjahr vollendet
haben, Theil zu nehmen berechtigt sind. Ihr steht die Vornahme der Wahlen zum Kirchen-
gemeindevorstande zu; in kleineren Gemeinden ist ihr die Kirchenrechnung vorzulegen, wäh-
rend in größeren nur eine öffentliche Auslegung derselben stattfindet; der Kirchengemeinde-
vorstand kann ihr außerdem wichtigere Angelegenheiten zur Berathung und Beschluß-
fassung überweisen.
Ueber den Kirchengemeindevorständen steht unmittelbar die Landesssynode; das
1) Ver. vom 31. Mai und 21. Juni 1856, vom 22. Sept. 1879.