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tualität, daß bei dem Aussterben der Sachsen-Meiningenschen Linie die beiden Linien Sachsen—
Coburg-Gotha und -Altenburg existiren sollten, ndch Folgendes hervorzuheben.
Es wäre denkbar, daß in diesem Falle — ähnlich wie nach dem in der Einleitung er-
wähnten Erlöschen der Sachsen-Gothaischen Linie im Jahre 1825 — auf Grund des sog. Röm-
hilder Rezesses vom 28. Juli 1791 1) eine Theilung des Herzogthums Meiningen verlangt würde,
weil in diesem zwischen den sämmtlichen damals existirenden Speciallinien des Gothaischen Gesamm-
hauses abgeschlossenen Vertrage (wenn auch nicht ganz zutreffend) allerseits anerkannt worden ist,
daß in Ansehung der in dem Herzoglich Sachsen-Gothaischen Gesammthause vorkommenden Col-
lateral-Successionsfälle die successio linealis in stirpes ohnehin schon verglichen sei;,
weil ferner in diesem Vertrage auch für den Fall des Erlöschens der Sachsen-Weimarischen und
der damals Kursächsischen jetzt Königlich Sächsischen Linie die successio in stirpes mit gleichen
Erbraten (mit Ausnahme der Kurlande) vereinbart wurde. Eine Wideraufhebung dieser Ver-
tragsbestimmung hat nicht stattgefunden, die in dem Theilungsvertrag vom 11. Februar 1825
(s. Einleitung) von den Paciscenten in Aussicht genommene Errichtung einer allgemeinen Haus-
successionsordnung ist nicht zu Stande gekommen, und die V. U. erkennt die bestehenden Obser-
vanzen ausdrücklich an.
Schon während der Verhandlungen über den Gothaischen Successionsfall im Jahre 1825,
in welchen Herzog Bernhard Erich Freund von Meiningen wegen seiner um einen Grad näheren
Verwandtschaft mit dem Erblasser, Herzog Friedrich IV., dessen ganzen Länderbesitz beanspruchte,
die Herzoge von Hildburghausen und Coburg-Saalfeld dagegen gleichmäßige Theilung nach der
successio in stirpes verlangten, war jedoch in einigen der über diese Frage erschienenen Abhand-
lungen — wenn auch vergeblich — darauf hingwiesen worden, daß eine solche Theilung eines
Staatsgebietes dem Wesen des Staates als eines organischen Ganzen zuwiderlaufe und die da-
durch bedingte einseitige Verfügung über die Unterthanen wie über Vermögensobjecte unzulässig
erscheine. — Inzwischen ist im Staatsrecht die Auffassung zur Herrschaft gelangt, daß die Thron-
erbfolge nicht einen privatrechtlichen, sondern lediglich einen staatsrechtlichen Charakter hat. Hier-
nach wird im Zusammenhalt mit der Bestimmung der V. U., daß das Herzogthum Meiningen
ein staatsrechtliches Ganzes bildet, die Statthaftigkeit einer zukünftigen successio in
stirpes, — namentlich ohne Zustimmung der Landesvertretung unbedingt zu verneinen sein.
In dem hier fraglichen Falle würde vielmehr — in Ermangelung vorheriger gesetzlicher Rege-
lung der Frage — in Anwendung des jetzt in Deutschland allgemein geltenden Grundsatzes der
Primogenitur zunächst die ältere der beiden concurrirenden Linien, d. h. Altenburg zur Succession
berufen sein. Entstehende Streitigkeitigkeiten würden der in Art. 76 der Verfassung des deutschen
Reichs vorgesehenen Entscheidung unterliegen. —
IV. Ueber die dauernde Stellvertretung eines nicht bezw. noch nicht
regierungsfähigen Staatsoberhauptes enthält die Mein. Gesetzgebung keine Bestimmung;
sie erwähnt in dem oben angegebenen Zusammenhang zwar einmal die Obervormund-
schaft über einen minderjährigen Regenten, ohne jedoch anzugeben, von wem sie geführt
werden soll. Eine feststehende Observanz scheint auch nicht zu bestehen, da die Vormund-
schaft über unmündige Herzoge in einem Falle von dem nächsten Agnaten, in den beiden
anderen Fällen von der Mutter des Minderjährigen — theils auf Grund eines Testa-
mentes, theils auf Grund eines Ehevertrages — geführt wurde. — Nach den jetzigen
staatsrechtlichen Anschauungen kann durch einseitige, d. h. der Zustimmung der Landes-
vertretung entbehrende Dispositionen des Staatsoberhauptes die Bestellung eines Regenten
nicht stattfinden. In Ermangelung einer allgemeinen oder für den einzelnen Fall zu be-
wirkenden gesetzlichen Regelung ist deshalb sowohl während der Minderjährigkeit als für
den Fall einer aus anderen Gründen eintretenden Regierungsunfähigkeit des Herzogs
nach den Grundsätzen des älteren deutschen Staatsrechtes derjenige regierungsfähige, voll-
jährige Agnat zur Regentschaft berufen, welcher bei Erledigung des Thrones zur Erb-
folge berufen wäre.
Bei Abwesenheit des Herzogs oder anderen vorübergehenden Verhinderungen des-
selben erhält das Staatsministerium in der Regel Vollmacht zur vorübergehenden
Vertretung des Herzogs.
V. Der Verlust des monarchischen Rechtes wird herbeigeführt durch den Tod
oder durch den Verzicht des Inhabers; der Verzicht kann nicht zu Gunsten eines nach
der Successionsordnung nicht zur Succession Berufenen ausgesprochen werden.
§ 3. Die Staatsämter. Die Leitung der gesammten Landesverwaltung liegt in
1) Abgedruckt bei H. Schulze, Sächs. Hausgesetze S. 237.
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