Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.2.2. Das Staatsrecht der Thüringischen Staaten. (6)

§ 6. Die Gemeinden und Kreise. 43 
Das Recht auf Schutz des Eigenthums ist beschränkt durch die in ver- 
schiedenen Gesetzen anerkannte Verpflichtung der Staatsangehörigen zur Abtretung von 
Grundeigenthum und Belastung desselben mit Dienstbarkeiten im Interesse der Ausführung 
nothwendiger oder gemeinnütziger Unternehmungen (Anlegung und Erweiterung von 
Straßen und Gemeindewegen, Eisenbahnen, Wasserleitungen, dem militärischen Bedürfniß 
dienenden Anstalten, zur Erweiterung von Städten, Dörfern, Friedhöfen, zu umfassenden 
Culturverbesserungen ganzer Ortschaften, zum Bergbau 2c.). Für das abzutretende Grund- 
eigenthum bezw. die zu übernehmende Belastung ist volle Entschädigung nach dem orts- 
üblichen Werthe zu leisten. — Ueber die Frage, ob die Enteignung zulässig ist, entscheidet 
nach voheriger Sacherörterung durch den Landrath in erster Instanz die Minist.-Abthlg. 
des Innern, in zweiter Instanz das Gesammtministerium. Die Höhe der Entschädigung 
wird auf Grund des Gutachtens Sachverständiger vom Landrath festgestellt, gegen dessen 
Entscheidung der gewöhnliche Instanzenzug im Verwaltungswege statthaft ist. Den Rechts- 
weg kann nur der Expropriat und auch nur in den beiden Fällen betreten, wenn er eine 
höhere Entschädigungssumme als die im Verwaltungswege festgestellte, oder wenn er die 
Abnahme eines ganzen Grundstücks anstatt des nur verlangten Theiles beanspruchen zu 
können glaubt. 
II. In Betreff der den Staatsangehörigen obliegenden Verpflichtungen (Gehorsam 
gegenüber den Gesetzen, Wehr= und Steuerpflicht) ist nur zu erwähnen, daß die Bestim- 
mung der V. U., wonach alle Staatsangehörigen männlichen Geschlechts nach zurückgeleg- 
tem 18. Lebensjahre den Huldigungseid leisten müssen, auch jetzt noch in Wirksamkeit besteht. 
§ 6. Die Gemeinden und Kreise. I. Gemeinden. Den Gemeinden, städtischen 
sowohl wie Landgemeinden, steht gesetzlich das Recht zu, unter Aufsicht des Staates die 
sich auf den Gemeindeverband beziehenden Angelegenheiten selbst zu besorgen und ihr Ver- 
mögen der Bestimmung desselben gemäß zu verwalten. Sie haben das Recht der jurischen 
Person und genießen die gemeinrechtlich den Minderjährigen zustehenden Rechtswohltaten; 
sie können Eigenthum erwerben, Beamte und Vorsteher bestellen, Beschlüsse mit Verbind- 
lichkeit für die nicht einwilligenden und künftigen Mitglieder fassen; sie können ferner zur 
Durchführung gemeinnütziger Maßregeln, zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit 
innerhalb des Gemeindebezirks und sonst zur Erreichung des Gemeindezwecks Ortsstatuten 
erlassen, welche der nur widerruflich nach Gehör des Kreisausschusses zu ertheilenden Ge- 
nehmigung des Staatsminist. Abth. des IJnnern bedürfen. Im Auftrage der Staatsre- 
gierung übt jede Gemeiude durch ihren Ortsvorstand innerhalb der für die größeren und 
kleineren Städte, sowie für die Landgemeinden verschieden bestimmten Schranken die Orts- 
polizei aus. — Ausgeschlossen von ihrem Wirkungskreise sind diejenigen Gegenstände, wel#e 
in keiner unmittelbarer Beziehung zu den Gemeindeinteressen stehen. 
Das Vermögensverwaltungsrecht der Gemeinden ist ein sehr wenig beschränktes; denn 
die sich hierauf beziehenden Gemeindebeschlüsse bedürfen nur, wenn sie eine Ver- 
mehrung der Schulden oder die Veräußerung von Immobilien und nutzbaren Rechten 
im Werthe von mehr als 342 Mark (200 Thl.) in sich schließen, der obrigkeitlichen 
und bei Erhebung neuer indirekter Abgaben der landesherrlichen Genehmigung. 
Die Gemeinden, die nach dem Gesetze zu allen Leistungen verpflichtet sind, welche das aus 
dem Gemeindezweck abgeleitete Bedürfniß als nothwendig erfordert, baben jedoch in der 
Regel selbst darüber zu entscheiden, ob eine Gemeindeleistung zur Ausführung gebracht 
werden soll. Nur ausnahmsweise, wenn die Leistung von dem Gemeindezweck unbedingt 
geboten wird, kann die Gemeinde zwangsweise von dem Staatsminist. Abth. des Innern 
zu deren Vornahme angehalten werden, wenn nicht durch dieselbe eine ungebührliche Be- 
drückung des größeren Theils der Gemeindemitglieder herbeigeführt werden sollte. Eine solche 
findet das im Jahre 1848 erlassene Gemeindegesetz schon in dem Falle, wenn der Jahres-
	        
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