44 Kircher, Das Staatsrecht des Herzogthums Sachsen-Meiningen. 86.
beitrag eines Gemeiudemitgliedes zu den Gemeindelasten die Hälfte der von ihm jährlich
an den Staat zu zahlenden direkten Steuern übersteigt. Nach einer constanten, den That-
sachen Rechnung tragenden Praxis ist der Einwand der ungebührlichen Bedrückung nur
in dem Falle zulässig, wenn es sich um die Befriedigung eines neuen Gemeindebedürf-
nisses handlt.
Die aus dem politischen Gemeindeverband, dem Schulverband und der Markungs-
angehörigkeit (d. i. Grundbesitz ohne gleichzeitiges Wohnen in der Gemeinde) entspringenden
Lasten sind, soweit sie nicht aus dem Abwurfe des Gemeindevermögens oder besonderen
für bestimmte Gemeindezwecke verfüglichen Mitteln bestritten werden können, (z. B. Schul-
geld) nach der Grundsteuer, Gebäudesteuer und Klassen= und Einkommensteuer vergl.
unten § 10 M.“Un der Weise umzulegen, daß von jeder dieser Steuerarten nach Verhältniß
der Größe ihres Jahresstockes zu den erforderlichen Ausgaben beizutragen ist.
Ausnahmen von dieser Regel bestehen insofern, als auf Antrag des Besitzers eines
Gutes oder einer gewerblichen oder sonstigen Anlage einem Gemeindebeschluß, nach welchem
auf dessen Besitzthum mehr als der vierte Theil einer einzelnen Umlage oder der gesammten
in der Gemeinde zur Erhebung kommenden Gemeindeabgaben entfallen würde, durch das
Staatsminist. Abth. des Innern die Bestätigung zu versagen ist, wenn diese Belastung
eine ungebührliche Bedrückung für den Besitzer enthalten würde. Ebenso kann unter Zu-
stimmung derselben Behörde von einer Gemeinde entweder für die Aufbringung der Ge-
meindeumlagen überhaupt oder auch für einen einzelnen Fall ein anderer Erhebungsfuß
beschlossen werden, wenn die erwähnten allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen nicht aus-
reichen oder den besonderen obwaltenden Verhältnissen widerstreiten. Abgesehen von den
auf der Reichsgesetzgebung und einem speciellen Rechtstitel beruhenden Befreiungen von
Umlagen genießen solche die im activen Militärdienst befindlichen Unteroffiziere und ge-
meinen Soldaten, die Oberjäger und Feldjäger in Bezug auf Löhnung und sonstige Dienst-
bezüge, ferner die Bürger= und Volksschullehrer wegen des Schulgeldes; ebenso sind von
Umlagen befreit die zu einem öffentlichen Zweck unmittelbar bestimmten Grundstücke und
Gebäude ).
Die Organe der Gemeinden sind in den Städten die Magistrate (Bürgermeister)
und der Gemeinderath, in den ländlichen Gemeinden der Schultheiß und der Gemeinde-
ausschuß. — Die Befugnisse der bezeichneten städtischen Behörden sind nicht gesetzlich
sondern für jede Stadt gesondert — wenn auch im Wesentlichen gleichmäßig durch s. g. Re-
gulative geordnet, während die Competenzverhältnisse der Organe der Landgemeinden
durch Verordnung und Gesetz geregelt sind. — In den Städten liegt die Leitung der ge-
sammten städtischen Verwaltung und die Ausübung der Polizei in den Händen der Ma-
strate bezw. Bürgermeister; dem von den Bürgern gewählten Gemeinderathe steht die
Controlle über die städtische Verwaltung, die Wahl der städtischen Beamten (diejenige des
Bürgermeisters bedarf der landesherrlichen Genehmigung) und der Lehrer, die Feststellung
des Etats, die Genehmigung außerordentlicher Ausgaben, die Aufnahme von Schulden,
die Prüfung und Justification der städtischen Rechnungen, die Aufnahme von Bürgern u. s. w.
zu. In einigen Städten wird der Bürgermeister von den Bürgern in direkter Wahl und
erst, wenn hierbei keine absolute Stimmenmehrheit erzielt wird, von dem Gemeinderath
gewählt. Die Wahl der Bürgermeister erfolgt in der Regel zuerst auf drei Jahre und
1) Nach der von Preußen mit den Thüringischen Staaten abgeschlossenen Militärconvention
vom 15. Sept. 1873 sind alle im Herzogthum garnisonirenden, einem anderen Bundesstaate ange-
hörigen, servisberechtigten Militärpersonen des aktiven Dienststandes sowohl hinsichtlich ihres dienst-
lichen, als ihres sonstigen Einkommens von allen direkten Gemeindeabgaben vollständig befreit.
Nur wenn sie Grundbesitz in dem Gemeindebezirk haben oder darin ein stehendes Gewerbe treiben,
haben sie die darauf entfallenden Gemeindelasten zu tragen. Die Militärärzte genießen hinsichtlich
ihres Einkommens aus der Civilpraxis keine Befreiung von Gemeindeabgaben.