Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.2.2. Das Staatsrecht der Thüringischen Staaten. (6)

46 Kircher, Das Staatsrecht des Herzogthums Sachsen-Meiningen. 8 7. 
Ausschrift von Kreisumlagen, und der landesherrlichen Genehmigung, wenn sie die Ein— 
führung von indirekten Abgaben betreffen. — Gegen Entscheidungen des Kreisausschusses 
innerhalb seiner Zuständigkeit steht der dadurch betroffenen Gemeinde — unbeschadet des 
Rechtsweges bei Verletzung wohlerworbener Rechte — das Recht des Recurses und 
bezw. Oberrecurses zu, vergl. 8 10. 
Jede Kreisgemeinde hat eine Kreiskasse zur Bestreitung der den Kreis als solchen 
betreffenden Lasten; ihre Einnahmen bestehen aus dem Abwurfe der Kreisfonds (welche 
den Kreisgemeinden von der Landeskasse aus' den französischen Kriegsentschädigungsgeldern 
zugewiesen wurden) und aus den Kreisumlagen. — 
§ 7. Der Landtag. I. Allgemeines. Der Schwerpunkt der älteren ständischen Ver- 
tretung, wie sie für die gesammten Gothaischen Lande (vergl. Einleitung) durch die Landesord- 
nung vom Jahre 1666 bestätigt wurde, lag darin, daß ohne Zustimmung der aus den Prälaten, 
Grafen und Herren, der Ritterschaft und den städtischen Vertretern bestehenden Landschaft keine 
Steuern erhoben werden durften, und daß die Kasse, in welche diese Steuern flossen, von Beamten, 
die von dem Fürsten und den Ständen gemeinschaftlich zu bestellen waren, verwaltet, sowie daß die 
Rechnungen über die Verwaltung dieser Steuerkassen von den Ständen geprüft wurden. Noch in 
der im Jahre 1824 für das alte Herzogthum Meiningen gegebenen Verfassung, welche den Ritterguts- 
besitzern, Städten und Bauern eine gleichmäßige Vertretung gewährte, bildeten das Steuerbe- 
willigungsrecht der Stände verbunden mit der Befugniß, den Etat über die aus den Steuern zu 
bestreitenden Ausgaben festzustellen und die eingehenden Steuern in eigenen Kassen verwalten zu 
lassen, und das Recht, über die. Substanz des Kammergutes zu wachen, die hauptsächlichsten Be- 
fugnisse der Stände, während ihnen bei der Gesetzgebung nur ein Beirath eingeräumt war. 
Die für das alte Herzogthum Hildburghausen im Jahre 1818 erlassene Verfassung räumt 
den Ständen das Recht des Beirathes und der Zustimmung zu Gesetzen und der Zustimmung 
zu Dispositionen über die Substanz der Domänen ein. 
Die gegenwärtig der Landesvertretung zustehenden, weiter unten aufgeführten 
Rechte beruhen auf der Verf.-Urk. und theilweise — in Betreff des Domänenvermögens — 
auf dem neuesten Domänengesetz vom 20. Juli 1871. Das mit einer einheitlichen Fi- 
nanzverwaltung nicht vereinbare ständische Recht auf getrennte Verwaltung der Steuer- 
kassen durch ständische oder gemeinsame Beamte mußte hinwegfallen; in anderer Form 
ist aber natürlich die Controlle des Staatshaushaltes einschließlich der Domänenverwaltung 
durch die Landesvertretung geblieben, da sie mit dem Steuerbewilligungsrecht und mit 
dem Recht der Theilnahme an der Gesetzgebung die wichtigsten Befugnisse der Landes- 
vertretung repräsentirt. 
II. Die Art und Weise der Zusammensetzung der Landesvertretung — bis 
zum Jahre 1848 Stände, seitdem Landtag genannt — hat im Anschluß an die verschie- 
denen Phasen der politischen Entwickelung Deutschlands mehrfach gewechselt. 
Vom Jahre 1829 an bestand die Ständeversammlung aus acht von der Rittrrschaft, acht 
von den Städten und acht von den Bauern gewählten Deputirten; in den beiden letzgedachten 
Ständen erfolgte die Wahl durch Wahlmänner; die passive Wählbarkeit war durch 25 jähriges 
Alter, christliche Religion und Besitz oder Mitbesitz eines Rittergutes bezw. Zahlung von 15 fl. 
jährlicher direkter Steuer von Grundstücken oder Gewerben bedingt. — Das Wahlgesetz von 1848 
hob die Trennung der Wahl nach Ständen auf, ließ 25 Abgeordnete in 25 Bezirken durch Wahl- 
männer wählen und gab die passive Wählbarkeit jedem Staatsbürger des Herzogthums, welcher 
das 30. Lebensjahr erreicht hat. 
Durch das Wahlgesetz von 1853 wurde die Zahl der Abgeordneten wieder auf 24 festge- 
setzt, von welchen 2 vom Herzog zu ernennen, 6 von den Besitzern größerer gebundener Güter 
(indirekte Wahl), 8 von den Städten und 8 von den Landgemeinden, beide durch Wahlmänner, 
zu wählen waren. Christliche Religion und Zahlung von direkten Steuern bildete für das aktive, 
christliche Religion und Zahlung von 10 fl. jährlicher direkter Steuern für das passive Wahl- 
recht in den beiden letzten Ständen die Voraussetzung. 
Durch das jetzt geltende Wahlgesetz vom 24. April 1873 wurde das allgemeine 
direkte Wahlrecht eingeführt, damit aber eine gewisse Interessenvertretung verbunden: 
Von den 24 Abgeordneten sind 16 (je vier in den vier Kreisen, und zwar in 16 Wahl- 
bezirken) mittelst direkter Wahl zu wählen. Wahlberechtigt ist jeder Angehörige des 
Herzogthums, welcher das 25. Lebensjahr zurückgelegt hat, in dem Wahlkreise, in welchem
	        
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