5. Die Staatsangehörigen. 79
Der Begriff der Ausländer oder Fremden ist durch das gemeinsame deutsche Indi—
genat auf Nichtdeutsche beschränkt, in Bezug auf welche in polizeilicher Beziehung auch
die Gesetzgebung dem Reiche zusteht (Reichs. Verf. Art. 4 No. 1).
Fremde genießen verfassungsmäßig während ihres Aufenthalts den vollen Schutz
der Landesgesetze, sind den Landesgesetzen unterworfen, privatrechtlich den Staatsange-
hörigen gleichgestellt und können, auch wenn sie hierlands ein Gewerbe nicht betreiben,
bei längerem Aufenthalte, namentlich wenn sie ein Domizil begründet haben, zu Staats-
und Gemeindelasten herangezogen werden (ef. Ges. v. 17. März 1868, Ges. v. 30. Juni 1862,
Grundges. 94).
Es ist den Angehörigen eines Staats gegenüber, in welchem Altenburgische Staats-
angehörige privatrechtlich oder steuerlich ungünstiger behandelt werden als erstere, ein Er-
widerungsrecht vorbehalten. (Grundges. § 70, 96 und Ges. v. 17. März 1868.)
Juristischen Personen, Aktiengesellschaften oder sonstigen korporativen Vereinen und
Genossenschaften des Auslands, welchen durch Gesetz oder sonstige Verleihung nur be-
schränktere Rechte der Gesammtpersönlichkeit, darunter aber das Recht, sich durch Vor-
steher oder sonstige einzelne Mitglieder vor Gericht vertreten zu lassen, zustehen, ist der
Geschäftsbetrieb im Herzogthum nicht ohne ministerielle Genehmigung zu gestatten. (Ver.
v. 17. Septbr. 1869.)
Fremde können jeder Zeit ausgewiesen werden. Ihre strafrichterliche Verurtheilung
zieht in der Regel Ausweisung nach sich. Ihr Aufenthalt unterliegt gewissen polizeilichen
Beschränkungen und Kontrolen.
Sie sind, soweit nicht die Reichsgesetze Ausnahmen machen (Ger.Ver.Ges. 8 18 f.)
der inländischen Gerichtsbarkeit unterworfen und können, soweit Reichsverträge und Reichs-
setze nicht entgegen stehen, wegen im Auslande begangener Verbrechen verhaftet und aus-
geliefert werden. (Grundgesetz § 95.)
Forenser haben, nachdem das volle Landsassiat mit seiner Wirkung auf persönliche
Klagen durch die deutsche Civ. Proz. Ordn. 25 f. aufgehoben worden ist, alle auf ihr
Grundeigenthum bezüglichen Gesetze zu beobachten, alle darauf bezüglichen Abgaben zu
leisten und sich dem dinglichen Gerichtsstande im Umfange der Prozeßgesetzgebung zu
unterwerfen.
Das Staatsbürgerrecht fällt gegenwärtig im Wesentlichen mit der Staatsangehörig-
keit zusammen, wenn mit letzterer männliches Geschlecht, Volljährigkeit, Unbescholtenheit,
Wohnsitz im Lande und wirthschaftliche Selbstständigkeit verbunden sind.
Erwerb und Verlust der Staatsangehörigkeit sind durch das Reichsgesetz vom
1. Juni 1870 geordnet, nicht blos in Beziehung auf Deutsche, sondern auch auf Ausländer,
deren Naturalisation, auch wenn sie den gesetzlichen Erfordernissen genügen, im Belieben
der Staatsregierung steht.
II. Pflichten der Staatsangehörigen. Jeder Staatsangehörige ist
verfassungsmäßig zur Treue gegen den Landesherrn als den Träger der Staatsgewalt
und zu Gehorsam gegen Gesetz und Obrigkeit verpflichtet (Grundges. § 71.) Er bleibt
den Gesetzen auch im Auslande unterworfen, soviel die dem Strafgesetzbuche unterfallen-
den Handlungen anlangt, im Umfange der Bestimmungen desselben (88 4—6). Des Ge-
horsams gegen die Verfassung ist in dem Diensteide und dem Huldigungseide besonders
zu gedenken.
Jeder Staatsangehörige ist zur Theilnahme an den Staatslasten verpflichtet. Be-
freiungen von direkten oder indirekten Steuern sollen nicht statt finden und die Abgaben
vom Grundbesitze auf ausnahmsloser Gleichheit beruhen. Dem entsprechend ist auch das
Domänen-Fideikommißvermögen staatssteuerpflichtig, wiewohl die Pflicht zur Abentrichtung
der Staatssteuern während der Regierung eines Mitglieds des Gesammthauses Sachsen-