88 Sonnenkalb, Das Staatsrecht des Herzogthums Sachsen-Altenburg. § 6.
Bekleidung öffentlicher Aemter zur Folge haben können, einstweilige Enthebung vom Amte
einzutreten.
Die Verwaltung der Gemeindeangelegenheiten und die Leitung der Gemeinderaths-
sitzungen liegt dem Gemeindevorsteher ob, welcher auch die Gemeinde nach außen und in
Prozessen zu vertreten verpflichtet ist. Falls das betreffende Geschäft nicht der besonderen
Genehmigung des Gemeinderaths oder der Gemeindeversammlung bedarf, verpflichtet er
durch seine Handlungen die Gemeinde. Er hat die Aufsicht über Gesetz und Ordnung
und über die Verwaltung des Gemeindewesens, soweit sie Andern übertragen ist. Mit
Zustimmung des Gemeinderathes kann er in Gemeindeangelegenheiten Regulative mit An-
drohung von Geldstrafen bis zu 20 Mark erlassen. Beschwerden seiner Seits gegen den
Gemeinderath oder die Gemeinde und Beschwerden gegen ihn gehen an die Aussichts-
behörde.
Alle Gemeinderathsbeschlüsse sind bei Strafe der Nichtigkeit in ein Gemeindebuch
einzutragen, auch in geeigneter Weise der Gemeinde bekannt zu machen.
Falls ein Gemeindemitglied oder eine Mehrzahl von Gemeindemitgliedern mit ⅛½
oder mehr Beitrag zu den Gesammt-Gemeindeausgaben ihr besonderes Interesse durch einen
Gemeindebeschluß für gefährdet erachten, ist Berufung auf den schiedsrichterlichen Ausspruch
der Aufsichtsbehörde zulässig.
Die Amtsverwaltung ist in der Regel unentgeltlich.
Der Gemeinderath kann von der oberen Verwaltungsbehörde aufgelöst, auch Mit.
gliedern, welche zur Auflösung Anlaß gegeben haben, das Recht der Wiederwahl entzogen
werden.
In Gemeinden von nicht mehr als 20 Stimm= und wahlberechtigten Mitgliedern
tritt die Gemeinde an Stelle des Gemeinderaths. Indeß sind mindestens 3 Mitglieder,
bei kleineren Gemeinden bis 6 stimmberechtigten Mitgliedern mindestens 2, zur Ver-
waltung der Gemeindeangelegenheiten zu wählen, welche sich über die Aemter des Ge-
meindevorstehers, Gemeindeältesten und Beisitzer zu einigen, im Nichteinigungsfalle der Ent-
scheidung der Aufsichtsbehörde zu unterwerfen haben.
Auch in Gemeinden bis mit 300 Einwohner sind bestimmte, sonst dem Gemeinde-
rathe zuständige Angelegenheiten der Gemeindersammlung selbst zugewiesen, so die Fest-
stellung des Beitragsfußes der Gemeindeabgaben, falls von dem gesetzlichen abgegangen
werden soll, die Errichtung von Ortsstatuten, die Aufnahme von Darlehen, ausgenommen
wenn dadurch die Gesammtschuld der Gemeinde nicht dauernd über 300 Mark erhöht
wird, die Veräußerung von Grundbesitzungen oder Gerechtsamen der Gemeinde in solchen
Fällen, wo es der Zustimmung der Aufsichtsbehörde nicht bedarf (Dorfordn. § 44), die
Verpfändung für Darlehen, welche nicht ohne Zustimmung der Gemeindeversammlung auf-
genommen werden können, sowie Einrichtungen, durch welche die Grundbesitzungen oder
Gerechtsame der Gemeinde wesentlich verändert werden.
Im Uebrigen hat sich die Gemeinde, auch Gemeinden über 300 Einwohner, in
jedem andern Fall auf Anordnung der Aufsichtsbehörde, zur Wahl des Gemeinderaths,
zur Publikation von Gesetzen und behördlichen Anordnungen und auf Beschluß des Ge-
meindevorstehers und des Gemeinderaths zu versammeln.
Das Stimmrecht in der Gemeindeversammlung richtet sich nach den Gemeindebei-
trägen, indeß so, daß jedes Mitglied mindestens eine Stimme hat und die Gesammtzahl
der Stimmen Eines Mitglieds mindestens Eine Stimme weniger beträgt, als die Stimm-
zahl der übrigen Gemeindemitglieder. Innerhalb dieser Grenzen kann die Regelung des
Stimmverhältnisses durch Ortsstatut geschehen. Privatrechtlich interessirte Mitglieder haben
sich der Abstimmung zu enthalten. Den Vorsitz führt der Gemeindevorsteher, dem ein
auf Geldstrafen bis zu 10 Mark beschränktes Disciplinarstrafrecht zusteht.