86. Die Körper der Selbstverwaltung, besonders die Gemeinden. 89
Ein Beschluß setzt giltige Ladung, das Erscheinen der Inhaber von mehr als der
Hälfte der Stimmen und Stimmenmehrheit voraus. Nur wenn nach zweimaliger Ladung
keine beschlußmäßige Anzahl erscheint, beschließen die Anwesenden rechtsgiltig. Gemeinde-
beschlüsse sind bei Strafe der Nichtigkeit in das Gemeindebuch einzutragen. Gegen sie
ist in gleicher Weise wie gegen Gemeinderathsbeschlüsse Berufung auf schiedsrichterlichen
Ausspruch der Aufsichtsbehörde zulässig.
Das Gemeindervemögen wird vom Gemeindevorsteher nach den Beschlüssen des Ge-
meinderaths mit der Verpflichtung zu pfleglichster Benutzung verwaltet, soweit nicht für
Theile desselben Sonderverwaltungen eingerichtet sind. Die Gemeinderechnung ist jährlich
zu legen und wird, nachdem sie zu Jedermanns Einsicht ausgelegen, durch den Gemeinde-
rath abgenommen. Ueber nicht zur Erledigung gebrachte Erinnerungen entscheidet die
Aufsichtsbehörde.
Zu Veräußerungen wie zu Verpfändungen, für welche es der Gemeindezustimmung
bedarf, ist auch die Zustimmung der Aufsichtsbehörde erforderlich. Alles, was sich im
Eigenthum der Gemeinde befindet, ist präsumtiv bis auf den Nachweis von Rechten
Einzelner oder bestimmter Klassen von Gemeindemitgliedern Gemeingut.
Soweit die gewöhnlichen Einkünfte der Gemeinde aus dem Gemeindegute u. s. w.
zur Bestreitung des Aufwandes nicht ausreichen, sind die Mitglieder zu Abgaben ver-
pflichtet, welche nach dem Maßstab der von ihnen zu entrichtenden direkten Steuern (Grund-
steuer und Klassen= und klassifizirte Einkommensteuer) zu entrichten sind. Ein anderer
Beitragsfuß kann nur zu Grunde gelegt werden, wenn gegen einen darauf gerichteten
Gemeinderaths= oder Gemeindebeschluß ein Widerspruch nicht erhoben worden ist. Be-
freit von Gemeindelasten sind außer den durch die Reichs= bezw. Militärgesetzgebung Be-
freiten nur Kirchen und Schulen, sowie fiskalische Gebäude und Grundstücke, welche un-
mittelbar Staats-, Kirchen= oder Schulzwecken dienen. Von außerhalb der Gemeindeflur
gelegenen Grundstücken oder betriebenen Gewerben der Gemeindemitglieder wird keine
Abgabe entrichtet, außer von dem zum Haushaltungsaufwande erforderlichen Einkommen.
Der Haushaltungsaufwand giebt auch in anderen Fällen theilweiser Befreiungen die Grund-
lage für Bemessung der Beitragspflicht. Bei mehreren Wohnsitzen tritt Theilung der Steuer
ein, bei Nichteinigung der Gemeinden nach Entscheidung der Aufsichtsbehörde. Der Ge-
meinderath, in kleineren Gemeinden bis zu 20 stimm= und wahlberechtigten Mitgliedern
der Gemeindevorsteher und die Gemeindebeamten, stellt die Steuer fest. Berufung an die
Aufsichtsbehörde ist nachgelassen.
Gemeindemitglieder mit mehr als 40 Hektar Landes in der Flur können behufs
Leistung ihrer Beiträge zur Wegebaupflicht Ueberweisung einer Wegestrecke zu eigener Un-
terhaltung beanspruchen. Verträge über Vertheilung von Gemeindelasten können auf 5
Jahre, beim Wegebau mit Genehmigung der Aufsichtsbehörde auf 10 Jahre abgeschlossen
werden. ·
Bei Anleihen ist zugleich über Tilgung Fürsorge zu treffen.
Dem Gemeindevorsteher als Ortsobrigkeit stehen ortspolizeiliche Befugnisse zu. Er
hat für Erhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit zu sorgen und ist zu—
gleich das Organ des mit umfänglichen polizeilichen Befugnissen ausgerüsteten Amts-
vorstehers. Wo ein sofortiges Einschreiten nothwendig ist, hat er dies zu bewirken. Gleich—
zeitig ist er Hilfsbeamter der Staatsanwaltschaft und hat bei Verletzung von Strafgesetzen
in dringenden Fällen vorläufige Maaßregeln zu treffen, auch nach Befinden den Schul-
digen zu verhaften. Unter polizeilicher Aufsicht stehende Personen sind von ihm zu beauf-
sichtigen.
Daneben ist ihm eine größere Summe von der Polizei, beziehentlich der allgemeinen