Full text: Die Geschichte Württembergs.

130 III. Württemberg als Herzogthum. 
B. Württemberg unter dem Einfluß Frankreichs. 
Ein Zeitraum von 150 Jahren. 1648—1803. 
§. 41. 
Allgemeiner Aeberblich. 
„Der Herr vergebe den Deutschen; denn 
sie wissen seit dem westfälischen Frieden nicht 
einmal, was sie thun, und noch weniger, was 
sie wollen, am wenigsten aber, was fie find. 
Die deutsche Konpitutten ist durch 
den westfälischen Frieden zu einem 
französischen Macht#esetn umgestal- 
tet worden an will behaupten, 
daß diejenigen, die Christum gekreuzigt, West- 
fälinger gewesen seien; deßwegen ist auf uns 
auch wahrscheinlich das Los gefallen, die 
Früchte diese Friedens ewig zu verdauen.“ 
rinz Eugen von Savoyen. 
Der schwerste aller Kriege war zu Ende; er hatte den deutschen Län- 
dern tiefe und weit klaffende Wunden geschlagen, für deren Heilung eine 
lange Zeit nöthig war. Deutschland hätte nunmehr eines dauernden Frie- 
dens nach innen und außen, der sorgsamen Pflege durch tüchtige Regenten 
und einer geordneten Rechtspflege zu seiner Erholung und Neubelebung drin- 
gend bedurft. Aber diese Zeit kam nicht, denn der Erbfeind Deutschlands 
hatte diesem den Dolch auf die Brust gesetzt, um ihm den Garaus zu machen. 
Frankreich hatte in Deutschland ein vollständiges Uebergewicht errungen und 
sieng nun an, in Europa die erste Rolle zu spielen. Die Religionsver- 
hältnisse, welche im letzten Zeitraum einen maßgebenden Faktor ausge- 
macht hatten, fallen in dieser Periode ganz aus dem Spiel. Das entschei- 
dende Princip ist jetzt das des politischen Gleichgewichts. Die Macht, 
die Bedeutung und der Einfluß jedes einzelnen Staates werden eigentlich auf 
der politischen Wage genau abgewogen; der eifersüchtige und mächtige Wag- 
meister war Frankreich. Hier regierte Ludwig XIV., der allen Staatsge- 
setzen und Völkerrechten Hohn sprach und mit Willkür und List ganz Europa 
beherrschte. Mehr als durch seine verheerenden Kriege schadete er durch den 
verderblichen Einfluß auf Sprache, Sitte und Mode. Wer als gebildet gelten 
wollte, mußte französische Sprache und Galanterie verstehen. Jeder Prinz 
und Junker wurde nach Paris geschickt, um ein kleiner Ludwig XIV. zu 
werden. Dieser König war „die Sonne, um welche sich alles politische 
und gesellschaftliche Leben, namentlich in Deutschland drehte.“ Ihm war es- 
nicht genug, daß er im westfällschen Frieden das ganze Elsaß erhalten hatte; 
auch die freien Reichstädte desselben, voran die Festung Straßburg, kamen 
in seine Hände. Durch die niederträchtigsten Bestechungen gewann er deutsche 
Reichsstände für seine Sache und streute den Samen der Selbstsucht und 
Uneinigkeit auf deutschen Boden, wo er leider nur zu bald-üppig wucherte. 
Was er durch die rohe Gewalt ungerechter, blutiger Kriege nicht erreichen 
konnte, gelang ihm durch Schlauhelt und Brutalität. In diesem Werke der 
Zerstückelung Deutschlands stand ihm sein Minister Mazarin, der Nachfolger 
Richelieu's, treu zur Seite. Was Rlchelleu durch seinen scharfen und klaren
	        
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