160 III. Württemberg als Herzogthum.
rißen 1). Bilfingers Tod machte die erste traurige Epoche in Karl Eugens Re-
gierung. „Von nun an ließ er den schändlichen Lüsten seines Herzens freien
Lauf, lachte des Elends der verführten Unschuld, des Jammers der Familien, und
drohte laut und offen mit seinem Zorn, wo er Widerstand fand. Daneben hielt
er noch viele Buhldirnen, meist aus Italien, welche ihn überallhin begleiteten,
mit schamloser Frechheit sich brüsteten und große Summen verschlangen. Da-
mals wurde Stuttgart der Schauplatz ungemsssener Pracht und Liederlichkeit;
Bälle und Konzerte, Landpartieen und Gesellschaften, üppige Gastmahle und ver-
schwenderische Ueppigkeit in Putz und Kleidung zerrütteten den Wohlstand auch
der unteren Klassen, und ihre Folgen waren Betrügereien aller Art, häufige
Vergantungen und gänzliche Verarmung vieler Familien. Zu solcher Verderb-
niß gesellte sich noch, ebenfalls vom Hofe ausgehend, ein knechtischer Charakter,
unterwürfig und niederträchtig gegen Höhere, stolz und übermüthig gegen Gerin-
gere. Gewaltthätig, wie der Herzog 2) selbst, behandelten Militär und Adel den
Unterthanen und den Beamten 3), und bezahlte Schmeichler mußten den Herzog
als den weisesten Landesvater erheben, seine Feste, in denen er den Schweiß
seiner Unterthanen vergeudete, seine Jagden, bel denen er ihre Saaten zertrat,
besingen und preisen. Alles sollte sein Opfer sein; was kümmerte ihn das
Elend seiner Unterthanen? Doch es war, als sollte dieses Opfer durch das Zu-
sammenwirken der Künste geschmückt werden, als wollte er durch die Gesänge
seiner welschen Trillerschläger, durch die Luftsprünge seiner mit Tausenden be-
zahlten Gaukler, durch die prächtigen, kunstvollen Opern, durch die Werke seiner
Maler und Bildhauer den Schein des Wohlstandes und der Heiterkeit verbreiten,
wo in der That nur Verarmung und Elend war. Selbst die vertrauten Ge-
nossen dieser Freuden ergriff trotz des Zaubers derselben oftmals eine unerklär-
liche Traurigkeit“ ).
Hardenberg war im April 1755 entlassen worden; der Geheimerath
durfte nicht die geringste Vorstellung mehr machen 5). Der Herzog reglerte mit
der größten Willkür, noch mehr, als ihn seine mißhandelte Gemahlin im Sep-
tember 1756 verließ. Zu derselben Zeit fand er zwei Männer, deren Thun
und Wirken mit dem der Grävenitz und des Juden Oppenheimer auf gleicher
Linie stehen, und die den gerechten Abscheu jedes wahren Vaterlandsfreundes
1) Mit seinem Busenfreund, dem Grafen Pappenheim, machte er die tollsten Pa-
genstreiche, neckte die Leute bei Nacht durch Straßenlärm, zog den Herausschauenden
Reife über die Köpfe u. s. w.
2) Der Herzog verlangte sogar, daß man vor jeder Schildwache, wie vor ihm
selbst, den Hut abziehen solle, und Kammerrath Strölin, der es unterlassen, bekam 25
Stockprügel. Schlözers Anzeigen III, 381.
3) Adelige und Offiziere hudelten sämmtliche Klassen des Bürgerstandes recht rit-
termäßig, traten das Heiligthum der Landesrechte und Freiheiten mit Füßen, und durften
es sich sogar erlauben, Ober= und Staatsbeamten Rippenstöße und Stockprügel aus-
zutheilen.
4) S. Pfaff IV, 272 ff.
5) Als sich die Geheimenräthe über das rechtswidrige Regiment des Herzogs un-
zufrieden äußerten, wurde ihnen am 10. Juni 1758 ernstlich eingeschärft, „ihr vollkom-
menes und einziges Augenmerk pflichtschuldigst dahin zu richten, den Sentiments ihres
Herrn bei den jetzigen Zeitläufen, so wie es sich gebühre, beizustimmen, „da sein Wille
auch der Wille aller Diener sein und bleiben müsse.“